Endlich wieder Festival!
51. Internationale Jazzwoche Burghausen
TEXT: Christoph Giese | FOTO: Elmar Petzold
Am Jazz kommt man in Burghausen nicht vorbei. Während der Internationalen Jazzwoche hängen in der pittoresken Altstadt unübersehbar viele Plakate und große Banner mit den Namen der Künstler, die an den sechs Tagen Festival in dem wunderschönen Ort an der deutsch-österreichischen Grenze auftreten. Aber das ganze Jahr über verfolgt einen der Jazz in Burghausen auf Schritt und Tritt, im wahrsten Sinne des Wortes. Denn in der alten Herzogstadt mit der weltlängsten Burg gibt es die Street Of Fame in der Flaniermeile der Altstadt. Ein Hauch von Hollywood verströmen die ins Straßenpflaster eingelassenen Reliefplatten aus Bronze mit den Namen der zahlreichen Jazzlegenden und Jazzgrößen, die in 50 Jahren Jazzwoche schon in Burghausen aufgetreten sind.
Ganz so klangvoll ist das Line-Up der aktuellen 51. Festivalausgabe nach zweijähriger Corona-Pause nicht geworden. Zumal dann auch noch die Stars Al Di Meola, Till Brönner, Richard Bona und John Helliwell, die beim wenig überzeugenden Projekt Mandoki Soulmates des ungarischen Schlagzeugers und Musikproduzenten Leslie Mandoki mitwirken sollten, alle nicht kamen – und den Grund dafür niemand dem Publikum erklärte.
Deutschlands populäre Soulröhre Joy Denalane war in Burghausen und in der großen Wackerhalle, wenn auch nicht wie geplant mit kompletter Band, sondern wegen einer kurzfristigen Corona-Erkrankung ihres Schlagzeugers nur im Duo mit Tastenmann Roberto Di Gioia. Letztendlich ein Glücksfall, denn die zwei auf der Bühne mussten das Programm modifizieren und dabei ziemlich improvisieren – woraus der Auftritt seine Spannung bezog.
Während US-Saxer Bill Evans mit seinen The Spy Killers! mit Drummer Wolfgang Haffner und knackigem Fusion-Jazz zu überzeugen wusste, blieb manch anderer Act wie die holländische Truppe Jungle By Night mit ihrer selbsternannten Analog Dance Music blass und wirkte in der großen, bestuhlten Wackerhalle vor einem zudem überwiegend älteren Publikum zudem ziemlich deplatziert.
Betörende Klangbilder zwischen Ambient und modernem Jazz
Jüngere Leute zum Jazz locken, das schafften in Burghausen leider auch nicht zwei junge Künstlerinnen, die hintereinander im schönen Stadtsaal Ecken und Kanten in ihrer Kunst suchen. Mit ihrem modernen, dub-getränkten, vitalen Spiritual Jazz und langen Songs erinnerte die britische Saxofonistin Chelsea Carmichael in so manchen Momenten an ihren angesagten US-Kollegen Kamasi Washington, auch wenn sie von E-Gitarre, E-Bass und Schlagzeug begleitet nicht so opulent daherkommt und schon eine andere, aber aufregend-anregende Linie verfolgt. Und die Genfer Harfenistin Julie Campiche setzt ihr im Jazzkontext ja nicht so häufig gehörtes Instrument in ein elektronisches Umfeld. Und zauberte so ungewöhnliche Sounds aus der Harfe, die sich mit den Klängen ihrer mal traumverhangen, dann wieder zupackend aufspielenden Band perfekt mischten zu betörenden Klangbildern zwischen Ambient und modernem Jazz.
Ebenfalls im Stadtsaal fand ein Nachmittag unter dem Motto Next In Jazz statt. Da stellte sich neben dem Schweizer Quintett Ikarus und den österreichischen Shootingstars der letzten Jahre, Shake Stew, auch die junge Münchner Sängerin und Pianistin Alma Naidu mit ihrem Quartett vor. Klasse-Stimme, viel Ausdruck, aber Jazz ist es sicher eher nicht, was sie singt und spielt. Ob ihre poppigen Songs reichen um schon als Next Big German Jazz Thing gefeiert zu werden, wie das einige wohl schon tun?
Wer dagegen den Jazz ganz klassisch mochte, der war zum Ausklang aller sechs Festivalabende immer bestens im schönen Ambiente des Jazzkellers im Mautnerschloss aufgehoben, wo zu später Stunde ein vorzügliches Quartett um den Weilheimer Saxofon-Koloss Johannes Enders und dem Basler Pianisten Jean-Paul Brodbeck mit lupenreinem, klasse gespielten Straight Ahead Jazz bestens unterhielt. Momente, an denen Burghausen 2022 mit am meisten Spaß machte.