EJO gegen EM

Nein, ausverkauft wie beim letzten Mal war das Konzert im Essener Casa dieses Mal nicht, aber das Essen Jazz Orchestra (EJO) hatte es im Rahmen der EM auch nicht ganz einfach, sich beim Publikum gegen zwei Viertelfinal-Spiele durchzusetzen. So gönnten sich letztlich doch erstaunlich viel Freunde der Big Band mit ihren durchweg renommierten MusikerInnen aus der freien Jazz-Szene in NRW und Absolventen der Folkwang-Hochschule den Hochgenuss eines „runden“ Konzertes. (Keine Angst, trotz der Überschrift bleiben den LeserInnen die augenblicklich in den Medien grassierenden Fußballmetaphern in dieser Review erspart.)

Die Formation EJO um Bandleader Tobias Schütte musiziert seit zwei Jahren gemeinsam und hat sich bereits beim Publikum und in der Fachwelt einen exzellenten Ruf erworben. Zurecht, wie man bereits dem ersten Set in der Casa entnehmen kann. Hier entfaltet die Combo die volle Big Band-Breite ihres Könnens: in drei Parts ihrer 5-teiligen Suite, in Wheel Dealer – einer Wheeler-Hommage aus der Feder von Bassist Alex Morsey – und in Frowning von Posaunist Tobias Wember. Die Musiker zeigen ein bestens abgestimmtes Tutti mit kraftvollem, aber immer differenziertem Gruppensound. Die Soli aller Instrumentengruppen sind organisch eingebunden, immer wieder folgen ruhigeren Passagen, bei denen die Blasinstrumente auch einmal in Gänze oder zum größten Teil schweigen und dem Quartett mit Hajo Wiesemann am Klavier, Andreas Wahl an der Gitarre, Hermann Heidenreich an den Drums und Alex Morsey am Kontrabass Gelegenheit zum Solieren und Musizieren in kleiner Besetzung geben.

Der zweite Teil des Abends öffnet sich dem Saxofonisten Matthias Nadolny, unlängst ausgezeichnet mit dem „Preis der deutschen Schallplattenkritik“. Tobias Schütte gibt in seiner Ankündigung seiner überschwänglichen Freude über den Gast-Solisten Ausdruck, haben doch viele Bandmitglieder Matthias Nadolny als herausragenden und beliebten Lehrer und Musiker während ihres Studiums am Jazzstudiengang der Folkwang Hochschule kennen und - so ist manchem Glanz in ihren Augen zu entnehmen – mehr als schätzen gelernt. In der Kenny-Wheeler-Komposition Kayak etwa oder in dem Klarinetten-lastigen Matthias-Nodolny-Stück Boingdidi – bei diesem im Duett mit Felix Fritsche an der monströsen Kontrabass-Klarinette – oder in Aufbruch von Band-Leader Tobias Schütte zeigt Nadolny auf seinem Selmer-Sax die ganze Kunst seines virtuosen und einfallsreichen Saxophon-Spiels mit einem wunderbar warmen Ton. Seiner gerade frisch prämierten Duo-CD mit Bob Degen You’re my Everthing ist der Monk-Titel Light blue entnommen – in Essen präsentiert in einer Version mit vertrackten gegenläufigen Rhythmen. In der Zugabe Stray Cat mit Alex Morseys Verbeugung vor der Ellington-Big Band gibt es innerhalb des durchweg energiegeladenen Ensemblespiels suggestive Solo-Phasen von Matthias Nadolny und Florian Walter am Bariton-Sax.

Insgesamt eine sehr strukturierte und fetzige Vorstellung des EJO’s mit hervorragenden (Multi-)Instrumentalisten. Am 20.11. d.J. hat man im Casa wieder die Gelegenheit zu einem Wiederhören. Achtung: In EM-freier Zeit steht diese unter Ausverkauf-Verdacht!