Eine etwas andere Reise
Eivind Aarset Quartet in der Kölner Philharmonie
TEXT: Vera Marzinski | FOTO: Vera Marzinski
Der experimentierfreudige Gitarrist Eivind Aarset aus Norwegen ist immer für eine Überraschung gut. Seine ungewöhnliche Quartett-Besetzung, mit der er Stücke von der Veröffentlichung „Phantasmagoria, Or A Different Kind Of Journey“ sowie neue Stücke in der Kölner Philharmonie spielte, ist ein weiterer Beleg dafür.
Aarset zeigt Möglichkeiten um Möglichkeiten, die Saiten seines Instruments vibrieren zu lassen und das immer auf kreative und originelle Weise - unterstützt durch eine hervorragende Technik. Seine Begleiter folgen ihm perfekt und der Einsatz der beiden Schlagwerke erweist sich als interessant und produktiv, wenn Erland Dahlen und Wetle Holte eingreifen. Dazu der Bass von Audun Erlien - und Sound und Musik fliegen. Erhabene kreative Poesie aus originellen und niemals banalen Sounds.
Eine andere Art der elektrisch verstärkten Gitarre
Eine Jazzgruppe mit zwei Schlagzeugern – kann das gutgehen? Wenn der Bandleader Eivind Aarset heißt, dann unbedingt. Auf Phantasmagoria, Or A Different Kind Of Journey“, eine „andere Art von Reise“, lädt Aarset in seinem aktuellen Programm ein. Der Klangtüftler aus Norwegen, der seit der Zusammenarbeit mit dem Trompeter Nils Petter Molvær Ende der 1990er-Jahre zur Avantgarde des neuen skandinavischen Jazz zählt, mag es, ungewöhnlich schräge Geschichten auf der Gitarre zu erzählen. Kein Wunder, dass das Programmheft der Kölner Philharmonie empfahl: „Vergessen Sie fast alles, was sie bislang mit einer elektrisch verstärkten Gitarre in Verbindung gebracht haben“.
Aarsets Musik ist ein Hybrid zwischen DJ inspirierter elektronischer Groove-Musik und Jazz. Spannend zu sehen, wie Aarset auf der Bühne experimentiert und klanglich seine Möglichkeiten auslotet. Nun nimmt er 25 Jahre nach der Veröffentlichung seines Debütalbums erneut mit auf eine in jeder Hinsicht bewusstseinserweiternde Reise: von Balladen bis zu einem Rock-Stück wie „Pearl Hunter“. Spezielle Klänge mit der E-Gitarre mit denen er zeitweise absolute Stille in der Philharmonie erzeugt. Seit einiger Zeit benutzt er auch einen Computer auf der Bühne, der ihn viele neue Möglichkeiten eröffnet. Damit wird die Unberechenbarkeit und Abenteuerlust des Gitarristen noch erweitert. Verschachtelung von Loops und Riffs, gepaart mit der Selbstverständlichkeit der kollektiven Improvisation des Quartetts, bescheren ein außergewöhnliches Musikerlebnis. Entspannt-meditative Refugien wie „Manta Ray“ oder transzendente Tunes wie bei „Intoxication“ gehören dazu. Eine breite Klangpalette eröffnet sich. Dazu zwischenzeitlich ein Drummer-Battle zwischen Erland Dahlen und Wetle Holte. Mit „Phantasmagoria, Or a Different Kind of Journey“ bietet das Quartett ein facettenreiches Erlebnis. Laut der Erklärung auf Aarsets-Homepage ist es "ein Soundtrack zu einer inneren Reise durch erinnerte oder imaginäre Landschaften und Räume; ein Reisebericht über Musikstile, Klänge und Epochen; ein Simulakrum des Live-Tourerlebnisses" und "...ein mutiger Schritt, der jedoch unterstreicht, dass er unendlich mehr ist als die Summe dieser Einflüsse. Dieses neueste Kapitel beim Weben des einheitlichen Wandteppichs seiner Karriere zeigt, wie Aarset in der Lage ist, neue Fäden in unerwarteten Farben, Innovation und Neuerfindung zu finden". Das war auch hörbar beim Konzert in der Kölner Philharmonie.
Vom Heavy-Metal-Gitarristen zum experimentellen Klangtüftler
Eivind Aarset begann seine Musikerkarriere als Gitarrist einer Heavy-Metal-Band, bevor er seine Liebe zum Jazz entdeckte. Sein Debütalbum "Électronique Noire" erschien 1998 bei Bugge Wesseltofts Label Jazzland Records. Zu diesem Zeitpunkt hatte Aarset aber bereits an mehr als 150 Jazzalben mitgearbeitet, darunter Alben namhafter Künstler wie Ray Charles, Dee Dee Bridgewater, Django Bates und Rebekka Bakken. Aarset ist einer der wichtigsten skandinavischen Jazz Avangard-Künstler und bekannt dafür, sein Instrument bis zur Unkenntlichkeit zu filtern und zu verfremden. Er ist mit dem Sound von Jimi Hendrix großgeworden, auch andere wie Larry Carlton John Scofield oder Daniel Lanois gehörten zu den Künstlern, die ihn prägten. Die Begegnung mit dem Pianisten Bugge Wesseltoft sollte wohl den entscheidenden Denkanstoß dafür geben, sich auf eigene Möglichkeiten zu fokussieren. Zeitweise war er Mitglied der Band von Nils Petter Molvaer - mit dem Album „Khmer“ 1998 hatten sie einen sensationellen Erfolg. „Phantasmagoria Or A Different Kind Of Journey“ veröffentlichte Eivind Aarset mit seinem Quartett 2021 bei Jazzland. Beim gleichen Label 2020 "Snow catches on her eyelashes" mit Jan Bang.