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Einmal durch die Stadt hetzen für Musik!

Kölner Musiknacht 2013

Köln, 17.09.2013
TEXT: Stefan Zimmer | FOTO: Gerhard Richter

Zum 9. Mal fand die Kölner Musiknacht statt. Für die Leute, die das Konzept nicht kennen: Ein Abend, 100 Konzert an 25 Orten. Und das ist sowohl Segen als auch Fluch an der ganzen Sache, organisiert von der Initiative für Freie Musik. Eine unglaubliche Auswahl an Konzerten. Effektiv kann man sich aber maximal fünf oder sechs Konzerte anschauen, was bei einem Eintrittspreis von 18 € absolut in Ordnung ist. Nach langem anschauen, suchen und vergleichen hatte ich mir eine Route zusammengestellt. Vier Konzerte in fünf Stunden, dabei eine schöne Runde durch die Stadt mit dem Fahrrad; Zeit zwischen den Konzerten: ca. 20 min!

Los ging es in der Alten Feuerwache. Dort spielte das tabadoul ensemble, das von dem Gitarristen Raimund Kroboth ins Leben gerufen wurde. Dieses Ensemble beschäftigt sich mit der Musik der ägyptischen Komponisten Mohammed Abdel Wahab, der als einer der bedeutendsten arabischen Komponisten des 20 Jahrhunderts aufgeführt wird. Wahab ist einer der ersten arabischen Komponisten, der westliche Einflüsse mit in seine Musik hat einfließen lassen. So hat er in den 1970ern die E-Gitarre mit in seine Kompositionen eingebaut und auch schon vorher Stücke mit Latin- oder Swing-Groove mit arabischen Elementen geschrieben. Beim ersten Zuhören stellte sich mir die Frage: Ist das, was wir hören, die authentische Musik des Komponisten oder ist es eine für die westlichen Ohren „weichgespülte“ Musik? Diese Frage beschäftigte mich das gesamte Konzert und ich konnte keine richtige Antwort finden. Die Musik war durchweg interessant und das Publikum in der proppe vollen Feuerwache war begeistert. Sie war, trotz der arabischen Herkunft eingängig und für den Zuhörer nachvollziehbar. Die wenigen Akkorde boten den Solisten Platz, in der Improvisation aufzugehen und man hat den Musikern angemerkt, dass sie Spaß daran hatten, die Musik zu spielen, vor allem bei den stilistisch leicht humoristisch wirkenden Passagen. Insgesamt war es ein sehr gelungenes Konzert.

Der letzte Applaus ist noch nicht verklungen, da sitze ich schon wieder auf dem Fahrrad auf dem Weg zum Stadtgarten zum Thonline Orchestra. Der Kopf dieser Big Band, ist Caroline Thon , eine in Köln lebende Komponistin und Saxophonistin. Das Konzert beginnt mit einer Komposition des Keyboarder Niels Tegen. Hier erlebe ich ihn zum ersten Mal als Komponist mit einer sehr gelungenen konzertanten Komposition in einem schwer zu spielenden Tempo. Bei moderner Big Band Musik ist die Frage nach dem Musikstil noch viel schwerer zu beantworten als sonst. So findet man beim Thonline Orchestra freie Passagen, konzertante Teile und Modern Jazz Abschnitte. In vier Stücken eine Komponistin wie Caroline Thon in ihrer gesamten musikalischen Breite zu erfassen, ist unmöglich. Was mir sehr positiv aufgefallen ist, war die Besetzung von Klavier plus Keyboard. Die Besetzung mit Klavier, Keyboard und Gitarre bietet viele Möglichkeiten von Klangspektren in der Begleitung. Als ich auf die Besetzungsliste schaute, viel mir ein Name auf, der für mich nicht so richtig reinpassen wollte. Pablo Giw, Trompeter der Band dus-ti und sonst eher in der freien Improvisation zu finden, in einem Big Band Trompetensatz? Das wollte sich mir erstmal nicht erschließen. Aber als er im dritten Stück, einer eher freien Komposition mit Papierrascheln von den Bläsern, zu seinem Solo ansetzte, wurde mir diese Besetzung klar. Im letzten Stück griff Tegen dann zur Melodika, einem mit Lust betriebenen Tasteninstrument. Dieses Instrument ist für mich sehr kontrovers. Es wird mittlerweile immer wieder in modernen Jazz Bands eingesetzt. Das Thonline Orchestra ist zurzeit auf Tour und spielt unter anderem am 03.10 in Aachen.

Dann hatte ich eine Stunde Pause um vom Stadtgarten zum Loft zu kommen. Dort erwartete mich dann Pablo Held mit seinem Oktett „Glow“. Neben seinen Trio-Kollegen Robert Landfermann und Jonas Burkwinkel hat sich Held hierfür einige hochkarätige Gastmusiker ins Boot geholt: Ronny Graupe, bekannt vom letztjährigen Klaeng-Festival, an der Gitarre, Niels Klein und Phillip Gropper am Tenor, Claus Stötter an der Trompete und der Berliner Henning Sieverts am zweiten Kontrabass. Gerade diese zwei Kontrabässe boten einen einzigartigen Klang. In leisen Passagen wechselten sich die beiden ab, wenn man Druck brauchte übernahmen beide eine Bassfunktion und ganz besonders war der Klang, als Landfermann gezupft hatte und Sieverts denselben Ton gestrichen. Dadurch entstand der Effekt, als ob der Ton nach dem anschlagen lauter wurde. Der Namensgeber des Projekts, Pablo Held trat dabei gar nicht so sehr in den Vordergrund, er genoss eher den Moment. Das Konzept von Glow würde ich heruntergebrochen so beschreiben: Themenfetzen + Viel Freiraum = Unberechenbar! Dabei ist das Ganze eher ein Klangkollektiv als eine feste Besetzung. Wenn man das negativ auslegen wollte, könnte man sagen, die Musiker seien austauschbar. Das stimmt meiner Meinung nach zu einem gewissen Teil. Das Pablo Held Trio bildet dabei den richtunggebenden Grundstock, jeder weitere Musiker bringt da seinen Teil ein und bereichert damit die Musik. Beim genauen Beobachten stellt sich mir manchmal die Frage, ob jeder Ton oder jeder Einwurf auch wirklich gewollt ist. Aber selbst wenn dem nicht der Fall ist, sind die Musiker so gut eingespielt, dass sie aus diesem vielleicht nicht so gemeinten Ton etwas entwickeln, was zum Moment passt, ja die Musik sogar weiterbringt. Sie sind sogar so gut eingespielt (jedenfalls das Trio), dass jeder hingeworfene musikalische Brotkrumen aufgenommen und versucht wird, weiter zu entwickeln. Das endet dann manchmal in einem Chaos, das aber immer wieder interessant zurückgeführt wird. Das Loft jedenfalls war gerammelt voll und die Zuschauer waren vom energiegeladenen Konzert begeistert.

Es ist 22:50 Uhr, als ich mich auf dem Loft in Richtung Domforum aufmache. Ich muss die Bahn nehmen, da ich sonst gar keine Chance hab, halbwegs rechtszeitig zum nächsten Konzert zu kommen. Das Domforum gehört zu den Orten, an dem man sonst nicht oft Musik hört. Das gehört auch zum Konzept der Kölner Musiknacht. So fanden unter anderem auch Konzerte in Kirchen oder Musikgeschäften statt. Im Domforum spielte das Quartett "Feinkost Decker", bestehend aus Sven Decker und Katrin Scherer an alle möglichen Holzblasinstrumenten, Stefan Scheib am Kontrabass in Christoph Hillmann am Schlagzeug. Das Quartett präsentiert Stücke aus ihrem zweiten Album „Second Crack“. Das Konzept des Quartetts ohne Harmonieinstrument lässt viel Raum in der Musik, wodurch jeder einzelne Ton wichtig wird und mit Bedacht gewählt werden muss. Stilistisch sind auch hier die Kompositionen schwer einzuordnen. Am nächsten kann man die Musik mit nordeuropäischer ECM-Musik im Stile von Oregon oder Jan Garbarek vergleichen. Ein Highlight der Band ist dabei Hillmann, der der Musik mit der Batajon, einer Trommel, und vielen verschiedenen Sticks Tiefe gibt. Ein kleiner Fauxpas passiert Feinkost Decker dann doch, als sie einen Einsatz verpassen und dann nicht mehr zusammenfinden. Dadurch muss das Stück abgebrochen werden und von einem bestimmten Punkt neu begonnen werden.

Um kurz vor zwölf gehe ich aus dem Domforum. Ich könnte noch ins Alte Pfandhaus, wo bis 2 Uhr noch Konzerte stattfinden, aber mir reicht’s an Musik für heute. Fünf Stunden großartige Musik und stressiges Hin- und Herfahren langen für einen Abend. Man hätte sich auch eine ganz andere Route durch die Kölner Musiknacht nehmen können, genug Auswahl gab es ja.

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