Einfach spielen
Die Jazz Pistols auf Fürst Leopold
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Stefan Pieper
Etwas versteckt mutet der Eingang zur „Galerie Traumfänger“ an. Sie ist im aufwändig hergerichteten CreativQuartier Fürst Leopold ein letztes Refugium der freien Szene. Die Location hat viel von Hausbesetzer-Gründerzeit, von gerade erst in Beschlag genommenen Industrieruinen, es könnte auch irgendwo in Ostberlin der Nach-Wendezeit sein und bildet einen wunderbaren Kontrast zu der auf dem alten Zechengelände entstandenen Gastronomie.
Also nochmal schnell durch die quietschende Eisentür hinein in die Galerie Traumfänger, atemberaubendes Raumgefühl und improvisierte Kunst genießen. Innerhalb der riesigen Halle vermittelt ein liebevoll improvisierter Gastrobereich und eine kleine Bühne ganz viel Geborgenheit.
Hier eines der erfahrensten Jazz-Rock Trios im Lande zu erleben, bescherte der neuen Konzertreihe auf Fürst Leopold auf jeden Fall einen würdigen Einstieg. Die „Jazz Pistols“ alias Stefan Ivan Schäfer, Gitarre, Christoph Victor Kaiser, Bass und Thomas Lui Ludwig, Schlagzeug arbeiten sich virtuos an einem Fusion-Jazzrock-Idiom ab und denken dieses weiter. Oder sagen wir einfach: Diese Musiker spielen. Und wie! Perfekt aufeinander eingeschworen, gehen die drei eine Symbiose ein, setzen einen solide treibenden Spielfluss frei und haben viel individuelle Klangfarbe zu bieten. Vor allem sind da die singenden und rockenden Gitarrenläufe von Stefan Ivan Schäfer. Sie verzahnen sich reaktionsschnell mit dem Bassspiel von Christoph Victor Kaiser. Schlagzeuger Thomas „Lui“ Ludwig verschaltet, vernetzt und verdichtet alles - mit explosiven Breaks, fein getakteter Präzision und unerschütterlicher Energie.
Rock und Jazz vereinen sich - und die Jazz Pistols nehmen es auch souverän mit den Legenden auf, wenn sie zum Beispiel ein Stück von Chick Corea neu interpretieren. Das zweite Set wird mit einem langen Part von lyrischer Getragenheit eröffnet. Großartige Momente von aufgetürmter spielerischer Raffinesse gibt es auch, als die drei später minutenlang kollektiv über eine einzelne Bassfigur improvisieren. Zentraler Bezugspunkt ist „Weather Report“. Alle drei wurden im früheren Leben schon von den legendären Platten von Zawinul und Co unheilbar infiziert. Und sie dürfen das, nämlich diese unerreichten Stücke spielen! Wo sonst Wayne Shorter und Joe Zawinul ihre Melodiephrasen und Sounds auf ewig ins Hör-Bewusstsein einbrannten, transformiert Stefan Ivan Schäfer so etwas in den eigenen Gitarren-Kosmos, nicht nur beim ewigen unvermeidlichen Birdland, einem Welthit, auf den das Erbe von Weather Report im Normalbewusstsein leider viel zu häufig reduziert wird.
Die drei sind Spieler, keine Denker. Gelassene Musikanten und keine Effekthascher und schon gar keine Coverband. Musiker, die einfach ehrliche Instrumentalmusik auf vollendetem Niveau spielen. Und auf unzähligen Tourneen quer über den Globus viele Begegnungen mit Menschen aller Nationalitäten und Kulturen machen durften.
Auf Fürst Leopold fand all dies Anschluss an das wunderbar authentische post-industrielle Ambiente der Galerie Traumfänger.
Das nächste Konzert im Rahnen von FineArtJazz auf Fürst Leopold präsentiert am 24. Oktober die Brüder Julian und Roman Wasserfuhr , die in Quartett-Besetzung antreten.
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