Bild für Beitrag: Eine Sternstunde mit vier Generationen | Marmulla, Dudek & Co. auf dem Nordsternturm
Bild für Beitrag: Eine Sternstunde mit vier Generationen | Marmulla, Dudek & Co. auf dem Nordsternturm
Bild für Beitrag: Eine Sternstunde mit vier Generationen | Marmulla, Dudek & Co. auf dem Nordsternturm
Bild für Beitrag: Eine Sternstunde mit vier Generationen | Marmulla, Dudek & Co. auf dem Nordsternturm

Eine Sternstunde mit vier Generationen

Marmulla, Dudek & Co. auf dem Nordsternturm

Gelsenkirchen, 12.10.2014
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Bernd Zimmermann

Der Jazz in seiner puristischen Form lebt - und erneuerte sich auf dem Gelsenkirchener Nordsternturm mal eben in vier Generationen, die allesamt an dieser Sternstunde der verfeinerten Kunst beteiligt waren. Denn eine solche war das Konzert der Band um den Recklinghäuser Gitarristen Ingo Marmulla .

Diese Band swingt - und wie! Wenn Marmullas Quartett den Set mit einem Blues -Shuffle eröffnet, gerät jede Nervenzelle in Bewegung. Intensive, vibrierende Stimmung breitet sich in der alten Maschinenhalle aus, als würde sie einen lasziven Gangsterfilm eröffnen. Und von dem kolossalen postindustriellen Ambiente mit den riesigen Förderrädern ist nicht zuletzt Gerd Dudek mehr als überwältigt - was wohl auch sein Spiel an diesem Abend zusätzlich inspiriert!

Dudek hat jene Zeiten miterlebt und -maßgeblich mitgestaltet, wo der Jazz noch viel mehr Gegenwart und auch Zukunft und noch nicht so sehr Historie war. So viel unverbrauchte Leidenschaft strahlt aus Dudeks Spiel, so viel hellwache Konzentration und Leuchtkraft bündelt sich in seinem Sound auf dem Saxofon. Und er braucht dafür gar nicht übertrieben laut zu spielen. Die flexible, hellwache Interaktion innerhalb des Quartetts, welche vor allem Marmulla durch viele lebhafte Blickkontakte steuert, ist ohnehin alles. Dicht an Dudeks Saxspiel dran ist ständig die Gitarre des Recklinghäusers - wie sie Dudeks Licks und Phrasen kommentiert oder feingewebte Unisono-Linien zeichnet. Da wird auch viel menschliche Nähe zum Spiel des legendären Saxofonisten deutlich. Marmulla ist darüber hinaus das Bindeglied zu der jüngeren Generation: Caspar van Meel und Dominic Brosowski , beide Folkwang-Absolventen. Doch wie sie sich hier freispielen, rhytmische Strukturen vibrieren und überkochen lassen oder mit satten Bassläufen die Tiefe des Raumes durchdringen, das klingt nach allem, aber nicht nach akademischer Hochschule.

Und so durchstreifen die beiden Sets eine bestens auf den Punkt kommende Mischung aus persönlichen Lieblingsstandards und Eigenkompositionen. Stücke wie Ellingtons "In a sentimental mood" geben dem Publikum Gelegenheit zum Durchatmen zwischen den uptempo-Nummern, in denen die Band in langen Improvisationen maximale Spielfreude entfesselt, so dass es endlos so weiter gehen könnte. Etwa im Stück "Tenor Madness", wo Dudek bestechende Hommagen an Sony Rollins liefert, oder in den vielen Eigenkompositionen, die viel verschachtelter und recht experimentierfreudig die Gegenwart von modernem Jazz bestätigen. Fantastisch, wie sich im zweiten Stück eine "Bossa Nova"-artige Nummer ein Thema vorantreibt, das ähnlich wie "A Night in Tunesia" anmutet - und sich schließlich von einer sparsamen Ostinato-Figur Ingo Marmulla s Gitarre in einem Schlagzeugbreak opulent auftürmt. Das und so vieles andere verdient Szenenapplaus an diesem Abend!

Ja, und die vierte Generation: Da sieht das Gelsenkirchener Jazzpublikum den wohl jüngsten Improvisator, der je auf einem Jazzkonzert mit gestandenen Profis auf der Bühne spielte. Jonas Passenberg ist gerade erst zehn geworden (!) , und er spielt das Sopransax wie es sonst nur die Großen können. Will sagen: wie er nach der Pause zusammen mit diesen gestandenen Musikprofis das ewige - und zu dieser Jahreszeit bestens passende - "Autumn leaves" interpretiert offenbart Souveränität und stauneswerte Frühreife. Kein Wunder: Als Jonas mit vier Jahren einen Saxofonisten in einem Konzert hörte, war es um ihn geschehen - seitdem ist er mit Leidenschaft dabei. Kompliment für seinen Lehrer an der Gelsenkirchener Musikschule, der ihn so fabelhaft auf den richtigen musikalischen Weg gebracht hat! Jonas Passenberg weiß mit sehr direkten Worten die richtige künstlerische Haltung zu formulieren: "Am meisten Spaß machen mir die Soli. Und ich spiele es natürlich jedes Mal anders, wie es mir gerade einfällt." Die Idee, den Gelsenkirchener Nachwuchs einzuladen, war mal wieder eine, der schon so vielen zündenden Ideen des Veranstalters PublicJazz.

Bild für Beitrag: Eine Sternstunde mit vier Generationen | Marmulla, Dudek & Co. auf dem Nordsternturm
Bild für Beitrag: Eine Sternstunde mit vier Generationen | Marmulla, Dudek & Co. auf dem Nordsternturm
Bild für Beitrag: Eine Sternstunde mit vier Generationen | Marmulla, Dudek & Co. auf dem Nordsternturm
Suche