Eine starke Marke für aktuelle Musik
Das dritte PENG-Festival begeisterte
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Stefan Pieper, Ingo Marmulla
Ein Festival, das etwa auf sich hält, bietet neue Entdeckungen und Premieren und vermittelt neue Erfahrungen. In dieser Hinsicht betreiben die Macherinnen des PENG-Festivals Barbara Barth , Marie Daniels , Rosa Kremp, Maika Küster, Mara Minjoli , Johanna Schneider und Christina Schamei ihr Projekt mit kontinuierlicher Leidenschaft kontinuierlich weiter. Dass dabei auch der notorischen Männer-Überschuss in der improvisierenden Musiker-Zunft geschmeidig und kreativ auszubalanciert wird, ist fast nur ein Randaspekt - wo es auch bei der dritten Festivalausgabe vor allem um eins geht: PENG in Essen immer mehr zu einer Marke für aktuelle Musik in NRW werden zu lassen.
Das heißt vor allem, aus pluralistischen Ansätzen des heutigen Jazz in jedem Moment starke musikalische Live-Erfahrungen zu schöpfen- und die legten an den zwei Abenden eine Fülle kreativer Visionen und Ideen von NRWs Jazz-MusikerInnen offen!
Das trifft für den hochkultivierten Triojazz der Bassistin Caris Hermes zusammen mit Jerry Lu, Piano und Niklas Walter am Schlagzeug zu, die den Abend mitreißend eröffnen. Ebenso für das herrlich sprühende Musikantentum der „Kusimanten“. Hinter diesem Sprachspiel verbergen sich die Sängerin Tamara Lukashewa und die zwei Grazerinnen Marie Theres Härtel, Viola und ihre Schwester, die sich „deeLinde“ nennt und Cello spielt. Ganz groß, wie diese drei mit einem zündend energetischen, erfrischend eigenständigen Stilmix aus Balkanfolk, alpenländischen humoristischen Anflügen und avantgardistisch angehauchtem Jazz die Halle erbeben lassen!
Eine schier überwältigende Premiere liefert danach die Großbesetzung „Electrified Island“- ausgehend von der Sängerin und Komponisten Thea Soti. Wie diese die ganz weiten Bögen der Musik durch ihr starkes Organ anführt und sich zugleich vier Sängerinnen zum polyphonischen Geflecht vereinen, zwischendurch starke Wechselbäder aus abstrakten Klangwelten und coolem kraftvollen Sprechgesang dazwischenfunken und aus all dem ein ungemein suggestiver, auch stark melodiöser Bogen entstand – das schließt mal eben die Ästhetik legendärer großer Jazzopern wie „Escalator over the Hills“ mit der vibrierenden Klang- und Ausdrucksvielfalt von heute kurz. Im Gespräch liefert Thea Soti den Schlüssel für so viel Fokussiertheit: Es gehe doch immer darum, eine Geschichte zu erzählen - in diesem Fall eine sehr persönliche Story über Menschwerdung im Einklang mit Elementen der Natur. Dieses neue verdienstvolle Projekt geht jetzt auf Russland-Tournee, wird weiter reifen. Die Früchte dieses Prozesses können dann am 13.12. bei einem Konzert im Kölner Stadtgarten erlebt werden.
Kein Abend ist wie der andere beim PENG-Festival. Der zweite Abend legt mächtig los, in dem er expressive, tiefe, virtuose Wege in moderner, grenzüberschreitender Jazz-Diktion aufzeigt. Steuerndes Medium ist die Schlagzeugerin Eva Klesse in ihrem eigenen Quartett. Kraftvoll, einfühlsam und hautnah ist sie auf dem Drumset dran an den feinsten Regungen der Musik. Und die vereint so starke Stimmen wie den Pianisten Phil Frischkorn und einen sich ekstatisch verausgabenden Evgeny Ring am Tenorsax.
Aufgeweckte Musik von heute entsteht, wenn kreative Schnittstellen zusammengebracht werden - und daraus dann wieder Neues entsteht: Da erhebt sich die eindringliche Stimmenkunst von Hanna Schörken auf Konstantin Krahmers psychedelischen Syntheziser-Klangflächen – derweil ein unfassbar sprühend flexibler Schlagzeuger Bernd Oeszevim zum höchst intuitiven, gerne immer wieder aufrührerischen Dialogpartner wird.
Die ECHO-Verleihung brachte der Saxofonisten Anna Lena Schnabel zwar viel Ehre, aber auch nicht viel mehr. Das wahre Kapital für beseeltes Musikmachen ist ein aufmerksames, dankbares Publikum, wie es in der Essener Maschinenhalle intuitiv spürbar ist. Und zum Schluss auch ein fruchtbarer Nährboden für die sprühende Entfaltung musikalischer Möglichkeiten in Anna Lena Schnabels aktuellem Quartett.
Die vielgefragte Saxofonistin bläst auf ihrem Horn, als würde es kein Morgen geben. Pianist Florian Weber produziert eine oft neutönerisch angehauchte rätselhafte Harmonik, übernimmt aber oft auch gerne die Führung, um auf weitgespannten Soli viel imaginäre Versenkung zu produzieren. Kurzum: Diese Konstellation deckte nahezu alle denkbaren Aggregatzustände ab, wie sie Musik herzustellen vermag. Der riesige Schlussapplaus galt schließlich nicht nur allen Bands und MusikerInnen, sondern ebenso dem Leitungsteam. Diese fünf Profimusikerinnen betreiben nicht nur gutes Networking, um für ein dramaturgisch plausibles Programms aus dem Vollen zu schöpfen, sondern sorgen auch dafür, dass es alle mitbekommen. Dass die Festivalmacherinnen auch selbst ihre Flyer verteilen – Ehrensache!