Eine neue Generation klopft an
Punkt-Festival Kristiansand 2018
TEXT: Christoph Giese | FOTO: Petter Sandell
Paal Nilssen-Love trommelt, mitunter auch wie ein Berserker. Nur er und sein Drumset, das ist das Konzept seines Soloauftritts beim diesjährigen PUNKT-Festival. Gut eine halbe Stunde geht das so, aber so richtig kickt der Auftritt des Norwegers irgendwie nicht. Aber da gibt es dann ja anschließend direkt den Live Remix zu hören. Für den sorgen zwei junge Damen bei ihrem zweiten Festival-Auftritt, Anja Lauvdal und Heida Mobeck. Mit Tasteninstument, Tuba und gesampelten Beats des Schlagzeugers bereichern die beiden Norwegerinnen die zuvor gehörten Rhythmus-Salven und betten sie ein in einen aufregenden Klangkosmos.
Dabei stehen an diesem, zweiten Festivaltag im südnorwegischen Kristiansand eigentlich Bands mit Streichern auf dem Programm. Ein weiterer norwegischer Schlagwerker, Thomas Strønen, stellt seine mit Klavier, Geige, Cello und oft gestrichenem Kontrabass besetzte Band „Time Is A Blind Guide“ vor - miteiner impressionistischen, weit gefächerten, avantgardistischen Kammermusik. Auch das Projekt von Soundtüftler Jan Bang, Gitarrist Eivind Aarset und Schlagwerker Michele Rabbia setzt mit dem Pariser Stringtrio „iXi“ auf Streicher. Eindrucksvoll wie sich elektronische Zutaten, Live Sampling und expressives, auch schon mal unorthodoxes Schlagzeugspiel mit den von wild bis introvertiert agierenden Streichern zu einer einzigartigen Mischung zusammensetzten, die im Anschluss vom kongenialen Duo Erik Honoré (Elektronik und Samples) und Clive Bell (Flöten) in wunderbare Sphären überführt wurde.
Weitere Momente von PUNKT 2018, die nachwirken: Der Auftritt des griechischen Duos Anna Linardou – Giorgos Varoutas. Durch Zufall lernte der Gitarrist und Soundtüftler Varoutas PUNKT-Mastermind Jan Bang bei dessen Besuch in Athen kennen. Man unterhielt sich lange, was in einer Einladung des Duos nach Kristiansand mündete. Und hier schufen die beiden Griechen mit Stimme, Samples und durch Feedbacks live erzeugte Rhythmen wunderschöne Klanggebilde. Der Remix von J. Peter Schwalm von Erland Dahlens weitestgehend solo auf dem Schlagzeug gespielten Konzert, bei dem Schwalm erst Klänge kreierte und langsam Material vom Ausgangskonzert in seine Ideen einfließen ließ. Und auch das norwegische Trio „Building Instrument“ mit seiner verträumten, mit Folkanleihen durchsetzten, elektronischen Popmusik schuf Klangbilder, denen man sehr gerne nachhörte.
Die nächste Generation an Improvisations-Musikern gab beim diesjährigen PUNKT einige bunte Visitenkarten ab. Mit Anja Lauvdal / Heida Mobeck oder dem ebenfalls aus zwei jungen Frauen bestehenden Zweier „Glimt“ präsentierten sich in der Kunsthalle von Kristiansand zwei Duos, die auf Blasinstrumente (Tuba bzw. Horn) in Verbindung mit Elektronik oder Live Sampling setzen. Sehr experimentell das Ganze, nicht immer durchweg zündend, aber mit feinen Momenten.
Das ebenfalls noch junge Trio „I Like To Sleep“ aus Trondheim überraschte zum Festivalabschluss in der ungewöhnlichen Besetzung Vibraphon, Baritongitarre und Schlagzeug und ihrer mitreißenden Mischung aus Jazzimpro und Prog-Rock. Wem der Name des Vibraphonisten irgendwie bekannt vorkam – Amund Størlokken Ǻse ist der Sohn von Keyboarder Ståle Størlokken, der nur wenige Stunden zuvor mit seiner Prog-Rock-Jazzband „Elephant9“ ebenfalls mächtig aufdrehte und losrockte.
Mit dem erst 16-Jährigen Emanuel Birkeland-Bang durfte gar der Sohn von Festivalmitbegründer Jan Bang dieses Mal als DJ mitwirken. Ein emotionaler Moment, vor allem für Jan Bang. Und auch das war ein weiterer kleiner Fingerzeig in die Zukunft dieses einzigartigen Festivals in Südnorwegen, das im kommenden Jahr und dann 15 Ausgaben ein schönes Jubiläum feiern wird. Erste Pläne gibt es schon und die wecken schon jetzt jede Menge Vorfreude.