Eine Ente für die Freiheit!
Entfesselte Streicherklänge mit Duck Tape Ticket
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Stefan Pieper | Barbara Seppi (oben Mitte)
Enten auf dem Teich lassen sich so schnell durch nichts aus der Ruhe bringen. Das gilt wohl auch für die gelbe Quietscheente, die bei der Band „Duck Tape Ticket“ zwischen den Monitorboxen über das Geschehen wacht. Sie könnte zum Beispiel sagen wollen: Konventionen und musikalische Schubladen – nein danke! Ein Satz, der umso mehr für Zuzanna Leharova,Viola, Paul Bremen , Violina, Viola und Mandoline und den Cellisten Veit Steinmann gilt – und die ließen es im Kulturzentrum LEO im besten Sinne musikalisch krachen. Dies braucht im Fall von drei Streichinstrumenten noch nichtmals eine große Verstärkerleistung. Denn auch wenn die insgesamt 12 Saiten der drei Streichinstrumenten so richtig glühen versetzt werden, bleibt es im Kern immer „kammermusikalisch“ genug, dass sie sogar ohne Mikro dazu singen können.
Getreu dem Credo der Ente lebt im Spiel der Dreien ein Freigeist, der die pulsierende rhythmische Energie des Jazz mit Einflüssen aus Bluegrass, Rock oder auch Folk fröhlich vereint - ebenso wie höchste improvisatorische Kunstfertigkeit und pulsierender Abgehfaktor keine Widersprüche sind. Die drei können was auf ihren Instrumenten – vor allem nuancenreich den Ton modellieren, bearbeiten und verwandeln. Oft geht es sehr vibratoarm zur Sache, um den schwerelos in den Raum hinaus zu schicken. Wird ein rauherer, dreckigerer Sound benötigt, erhöht man den Druck des Bogens auf den Saiten. Und wo elektrische Gitarristen sich erst durch komplizierte Verzerrer-Pedale durchschalten müssen, da geht es auf Violine, Viola und Violoncello viel einfacher: Man streiche direkt am Steg – schon ist ein mystisch schillernder, fast psychedelischer Sound da. Und wenn die Bögen im pumpenden Rhythmus auf die Saiten prallen, macht dies eine herrlich variable Percussion-Section komplett. Ja, es lässt sich auf Streichinstrumenten wunderbar rocken und noch viel mehr anstellen - wenn man sich nur traut!
Das Hörkino im LEO lässt keine Wünsche offen. Die drei gehen in Sachen Jazz mit Hommagen an Sonny Rollins ans Eingemachte, tauchen die Bühne in frankophiles Flair. Phasenweise wird es ganz schön balkanesk bis orientalisch, was vor allem Zuzanna Leharova zu verdanken ist.
Wieselflink und mit viel Humor sausen „Duck Tape Ticket“ auf der musikalischen Landkarte umher: Mal wird in anglokeltischen Gefilden Halt gemacht, wenn Paul Bremen seine Gesangsstimme zu einem ergreifenden Folk-Tune erhebt. Nachdenkliche Schwere transportiert ein Stück, welches den Menschen in Aleppo gewidmet ist. Und die drei haben nicht nur harmlose Entlein im Sinn, sondern widmen sich auch den mysteriösen Humbold-Kalmaren. Diese bis zu mehreren Metern langen eigenartigen Kopffüßler sind angeblich kurz davor, aus den Tiefen des Pazifiks aufzutauchen, um eine Weltverschwörung anzuzetteln. Ob man es glaubt oder nicht: Die harschen, schroff-aufbegehrenden, fast metal-artigen Ausbrüche des Trios gepaart mit dissonanten Harmonien und beunruhigenden Rhythmuswechseln versetzen schon einmal hinreichend in Alarmstimmung!
Wer neugierig geworden ist, sollte sich schon mal den 8.Juli 2018 vormerken. Dann nämlich ist Duck Tape Ticket im Haus Kemnade live zu erleben anlässlich einer neuen Fotoausstellung unseres Kollegen Heinrich Brinkmöller-Becker.
Er war live vor Ort, als die Band mit zahlreichen Gastmusikern das neue, zurzeit vielbeachtete Album "The Undreamt Oasis" aufgenommen hat. Zu diesem Thema gibt es auch einen jazzreport.