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Diktatur kann Liebe nicht verbieten

Telmo Pires in Oberhausen

Oberhausen, 10.05.2024
TEXT: Peter E. Rytz | FOTO: Peter E. Rytz

Boa noite! Que bom que você veio hoje! Ich freue mich, wieder im Ruhrgebiet zu sein. Ausfahrt Bottrop, A 42. Temperatmentvoll entert Telmo Pires, einer der wenigen männlichen Vertreter der zeitgenössischen Fado-Szene, die Bühne des Ebertbads in Oberhausen. Mit Rui Poço (Portugiesische Gitarre), Miguel Silva (Klassische Gitarre) und Yami Aloelela (E-Bass) folgt er in mehr als zwei Stunden seiner Fado-Spur: Através do Fado. 1952 in Nord-Portugal geboren, zieht seine Familie wenige Jahre später ins Ruhrgebiet. Er wächst dort zweisprachig auf. Macht am Heinrich-Heine-Gymnasium in Bottrop das Abitur. Gesangs- und Schauspielausbildung führen ihn zu seinen portugiesischen Wurzeln zurück. Dem Fado, einer über Jahrhunderte gewachsene Kultur, einem Lebensgefühl, getragen von arabischen Elementen, vielen Tonhöhensprüngen, bevorzugt in Moll, widmet er sich als Fadista mit Überzeugung.

Dass der Fado mehr ist als nur wehmütige Klage, die sich im Weltschmerz (Saudade) verzehrt, unterstreicht er mit kulturell konnotierten Reflexionen, einleitend und zwischen seinen Gesängen mit Emphase. Fado zu singen bedeutet für ihn im heutigen Sinne, ein soziales Medium zu bedienen und zu nutzen. Pires Liedtexte setzen Beziehung zu den Lebensbedingungen in der portugiesischen Diktatur, die von 1932 bis 1974 andauerte. Wenige Tage vor dem Konzert wurde die Erinnerung an die Befreiung von ihr vor 50 Jahren durch die inzwischen zu einem charismatisch aufgeladenen Symbol gewordene Nelkenrevolution zu einem die Gesellschaft beherrschenden Gefühl.

Eine Diktatur kann vieles verbieten, allein die Liebe nicht. Der Fado wurde für die vielen Analphabeten so während dieser Zwangsherrschaft zu einer Zeitung. Sie konnten sie nicht lesen, aber hören, singen und tanzen. Ich komme nicht aus dem Fado, beteuert Pires. Der Fado ist mit seiner Mutter, vor allem mit seiner Großmutter zu ihm zurückgekommen. Mit Morena singt er eine Hommage an sie und ein Bekenntnis zur Kraft des Fado überhaupt.

Mutter, ich besinge die Nacht, weil mich der Tag enttäuscht. Das Schicksalhafte des Fado prägt seine Performance von Gesang, Tanz und Erzählung. Wie seinen Müttern ist er dem großartigen Lehrmeister und Fadista Carlos do Carmo (1939-2021) verpflichtet. Fado, Credo und Plädoyer für ein freies Leben und unbedingte Liebe, zelebriert Pires kultiviert und sportiv zugleich. Klug in der Reflexion der kulturellen Kontexte, geschmeidig biegsam in seiner männlichen Körperhaftigkeit.

Pires zieht die Zuhörer – Die überwiegende Mehrheit sind Zuhörerinnen! – nicht nur mit seinem authentischen Gesang in den Bann. Es sind mitunter Anekdoten, die mit Witz und Ironie spielen, aber einen Kern freilegen, als würde man einen Apfel schälen. Dass in deutschen Supermärkten das Sortiment an portugiesischen Weinen eher klein ist, hat, so Pires, einen einfachen Grund: Wir exportieren wenig. Wir trinken ihn selbst. Somit gut gelaunt, singt man traurige Lieder.

Die dem Fado eigene Traurigkeitsmelodik grundiert entsprechend Pires‘ Gesang. Gleichzeitig überwiegt in ihm die Hoffnung, dass Liebe in Frieden alles Begrenzende überwinden kann. Er schüttet Füllhörner von Glückshormonen aus.

Davon könnte es noch mehr geben, wenn die Musiker an seiner Seite mehr die Chance hätten oder einforderten, seine narrative Performance mitzugestalten. Pires‘ Erklärung zu Beginn des Konzerts, sie würden von seinen Erzählungen kein Wort Deutsch verstehen, macht sie zu einer Staffage allein professionell spielender Musiker. Schwer zu sagen, wie sich das für sie anfühlt.

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