Eine bunte Städtereise
Oslo Jazz Festival 2013
TEXT: Bernd Zimmermann | FOTO: Bernd Zimmermann
Die weitaus schönste Anreise nach Oslo ist die per Schiff. Die Fährgesellschaft "Color Line" bringt die Reisenden bequem und komfortabel in 20 Stunden von Kiel nach Oslo. Vorbei an der Ostküste Dänemarks geht es über den Skagerak hinein in den 118 Kilometer ins Landesinnere reichende Oslofjord. Traumhaft.
"Oslo - A poor man's connoisseur Guide to happy living in one of the most expensive cities in the world", so der Titel einer Broschüre für Besucher Oslos. Und in der Tat sollte sich der Jazzfan vor allem den Kneipen und Restaurants der Stadt mit großer Vorsicht nähern. Die Preise sind dort für den bundesrepublikanischen Normalverdiener schwindelerregend. Auch die Unterkünfte nehmen saftige Preise. Aber die Preise in den Supermärkten sind benahe mit den unserigen zu vergleichen. Und wenn man sich erst einmal vom ersten (Preis-)Schock erholt hat und der erste Supermarkt ausgespäht ist, kann man sich in einer der teuersten Städte der Welt durchaus normal bewegen.
Und so gleicht dann der Besuch beim Jazz Festival Oslo schnell auch einer Städtereise. Ausgestattet mit dem Oslopass, der einem die freie Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs (hierzu gehören auch eine Reihe von Fähren zu den Oslo vorgelagerten Inseln) und den Eintritt in diverse Museen ermöglicht, kann die Erkundung einer, sicherlich auch kulturell einer der reichsten Städte der Welt, beginnen.
Nicht weniger als 15 Spielstätten, darunter so herausragende wie die neue Borske Opera og Ballett, die Oslo Domkirke oder das Nasjonal jazzscene Victoria führen den Festival-Besucher kreuz und quer durch die Stadt. Dabei sind alle Spielorte leicht zu Fuß oder mit dem Fahrrad (die kann man sich überall in der Stadt ausleihen) zu erreichen.
Das Festival hatte offiziell noch gar nicht begonnen, da präsentierten die Festivalmacher bereits beim sogenannten Festivalforspill (Vorspiel) mit Laurie Anderson im Opernhaus und Joshua Redman mit Aaron Goldberg, Reuben Rogers und Gregory Hutchinson im "Victoria" zwei Hochkaräter ihrer Zunft.
Aber das Festival war in diesem Jahr nicht nur das Festival der großen Namen. Neben dem Nachwuchs gab auch so manches Wiedersehen mit alten Recken der norwegischen und internationalen Jazzszene. Jon Eberson ist eine solche norwegische Legende. Der 60ig-jährige Jazzrock-Gitarrist brachte u.a. seine Tochter Marte, den Schlagzeuger Pål Thowsen und den Nachwuchs-Saxophonisten Kim-Erik Pedersen mit. Herausragend auch das Konzert mit Keith Jarrett Schlagzeuger Jon Christensen, der zusammen mit Arild Andersen und Carsten Dahl spielte. Internationale Oldtimer brachte das Konzert der "Blood, Sweat and Tears"-Recken Lou Marini, Lew Soloff und Georg Jojje Wadenius auf die Bühne. Hugh Masekela spielte im Rockefeller vor mehr als 1000 Zuschauern.
Aber es waren vor allem die kleinen, etwas abgelegenen Konzerte die dieses Festival ausmachte. In der sparsam beleuchteten Kulturkirken Jakob zum Beispiel spielte Det Norske Blåseensemble unter der Leitung von Geir Lysne mit Vladislav Sendecki (Piano), Helge Norbakken (Percussion) und Kristoffer Lislegaard (electronics/sampling) ein. Dunkle Klangfarben waberten zu Beginn durch den Kirchenraum. Sparsam begleitet von Sendecki und gefühlvollen, hochspannenden Samples von Kristoffer Lsilegaard. Immer etwas ungeduldig wirkend dagegen Helge Norbakken. Er setzte mit den Percussionisten des Norske Blåseensemble die Kontrapunkte.
Das Oslo Jazz Festival kann auch mit einem Festival im Festival aufwarten. Im alternativen Jugendtreff "Mir" im Szenestadtteil Grünerløkka spielte an mehreren Tagen im Rahmen des Blow Out Festivals unter der Leitung des Peter-Brötzmann-Drummers Paal Nilssen-Love die Avantgarde des norwegischen Jazz auf. Die beiden ehemals konkurrierenden Festivals haben es im Laufe der Zeit geschafft miteinander zu kooperieren und sich so gegenseitig zu bereichern.
Aber nicht nur das es in Oslo in diesen Tagen im August ein Festival im Festival gab, parallel fand am zweiten Festival-Wochenende auch noch das mela-Festival für Weltmusik statt. Hier wie dort auf der Bühne Frøy Aagre, die beim Oslo Jazz Festival in der Blues- und Jazzkneipe "Herr Nilssen" ihr nigelnagelneues Projekt "Electric" vorstellte. Unterstützt vom Mathias Eick Keyboarder Andreas Ulvo und Jonas Barsten Johnsen (drums) überraschte Frøy Aagre mit eingängigen melodiösen Grooves. Festivalbesuche leben von Überraschungen und Entdeckungen. Eine besondere Überraschung gab es allerdings auf dem melo-Festival. Dort spielte zur Festival-Eröffnung im Osloer Rathaus kein geringerer als Nils Petter Molvaer zusammen mit Musikern aus Norwegen, China und Indien.
Es war ein buntes kulturelles Treiben in Oslo, manchmal schon fast zu viel. Aber ob am Hafen in den kleinen Parks oder Vigeland-Skulpturenpark findet der Festivalbesucher immer wieder grüne Oasen der Ruhe. Und wenn das nicht reicht, fährt man einfach mit einer Fähre auf eine der zahlreiche Osloer Inseln, beneidet die Norweger um ihre dort befindlichen Ferienhäuschen und tröstet sich damit, dass es hier in den Wintermonaten wohl doch noch ein wenig trister ist als daheim und fragt sich, ob es wohl das ist, was die Norweger zu dieser Vielfalt an kulturellem Angebot antreibt.