“EIN FEST”
KEMNADE SWING NIGHT mit CHRIS HOPKINS'
TEXT: Heinz Schlinkert | FOTO: Heinz Schlinkert
Alle Jahre wieder finden die KEMNADE SWING NIGHTs statt. Ja, auch in den letzten beiden Jahren hat es Chris Hopkins geschafft, sein Doppelkonzert trotz Corona stattfinden zu lassen. Und es ist wieder ausverkauft, denn Chris hat ein großes Stammpublikum, das regelmäßig seine Konzerte besucht.
- Wasserburg Haus Kemnade – 21 Jahre KEMNADE SWING NIGHTs
Auch die Location, die Wasserburg Haus Kemnade, deren Geschichte bis ins 12. Jhdt. zurückreicht, steht für Kontinuität. In dieser historischen Kulisse haben schon viele Events stattgefunden. Das Festival 'Kemnade international' war lange Zeit überregional bekannt und stand für das interkulturelle Miteinander der Menschen im Ruhrgebiet. Die KEMNADE SWING NIGHTs finden seit 21 Jahren im Sommer statt, abends an zwei aufeinanderfolgenden Tagen. Viele, auch internationale Künstler kommen, die Chris von Auftritten in der ganzen Welt gut kennt. Mehr Infos über ihn findet man in einem Interview vom letzten Jahr.
Ich bin heute am 30. Juni beim Konzert. Zum Ritual gehört am zweiten Abend inzwischen der augenzwinkernde Hinweis, man habe ja schon am Vorabend geprobt. Also Same procedure as every year? Nein, ich bin beeindruckt wie Chris das Programm dieser 'Traditionsveranstaltung' immer wieder neu gestaltet und wie er sein Publikum begeistert.
- Die Band -'frisches Blut' aus Hessen
Chris Hopkins
ist Pianist und wohnt in Bochum. Zwei Freunde hat er mitgebracht, die schon oft hier waren, den Gitarristen Rolf Marx (Witten) und den Bassisten Henning Gailing (Dortmund/Köln). Zu diesen Ruhries gesellen sich der Trompeter Axel Schlosser und der Drummer Jean-Paul Höchstädter, beide von der Big Band des Hessischen Rundfunks. Und nicht zuletzt spielt der Kalifornier Dan Barrett die Posaune. Als special guest drängt er sich nicht in den Vordergrund.
Chris nutzt die Potenziale des Sextetts, indem er oft nur einen Teil agieren lässt. So kommt es zu unterschiedlichen Duos, Terzetten und Quartetten, die jeweils eine spezifische Kombination von Instrumenten aufweisen, mit denen er auch verschiedene Genres darstellen kann.
- Vielfalt hoch 3: New Orleans – Swing – Bossa - Cool und mehr
Auf dem Weg zur Bühne hat die Band entschieden mit September in the rain zu beginnen, weil draußen ein Gewitter aufzieht. Das macht echte Profis aus! Das Repertoire der Band ist diesmal besonders vielfältig mit vielen Höhepunkten, die vom Publikum mit viel Beifall bedacht werden.
Die Musik von Louis Armstrong ist an diesem Abend besonders wichtig. Chris hat Axel Schlosser bei einem Projekt über den frühen Armstrong kennengelernt und so spielen die beiden im Duett Mandy Make up your mind, ein Stück von 1924. Und auch das letzte Stück Down in Honky Tonky Town, ein Klassiker aus der New Orleans Street Parade (1916) passt gut dazu. Hier ist besonders der Drummer Jean-Paul Höchstädter gefragt, der in der Second Line das Schritttempo angibt und mich an den späteren Blues March erinnert. Schließlich ist Armstrongs berühmter West End Blues zu hören, Axel Schlosser erläutert ausführlich die Bedeutung und den Schwierigkeitsgrad des Trompeten-Solos.
Eine Ära weiter geht es um Count Basie, Moten Swing präsentiert Chris mit seiner 'Mini-Bigband'. In der Cool Jazz Ära der 50er waren – Chris erklärt das genau – Harmonie-Instrumente nicht immer erwünscht, also verlassen er und der Gitarrist fluchtartig die Bühne. Das restliche Quartett spielt Bernie's Tune, ein Stück, das Gerry Mulligan 1952 berühmt gemacht hat. Den ursprünglichen Saxofon-Part übernehmen Axel Schlosser am Flügelhorn und Dan Barrett an der Posaune im Wechsel.
Dan Barrett ist eine besondere Nummer. Er erzählt eine amüsante Geschichte: Im Baumarkt beim Kauf eines Gummi-Dämpfers, der auch als Saugglocke für die Toilette benutzt wird, konnte die Verkäuferin nicht verstehen, dass Dan keinen stick haben wollte; "That's disgusting", meinte sie. Dan schlägt auch vor, in berühmten Songtiteln Love durch Lunch zu ersetzen ('Lunch for Sale'), vor allem aber spielt er wundervoll Posaune. Bei Cole Porters What is that thing called love z. B. klingt er mit dem Einsatz des Plunger (Dämpfer) und den Growl-Effekten wie früher 'Tricky Sam' Nanton in der Jungle-Phase der Ellington Band. Das kommt sehr gut rüber, besonders im Kontrast zu Schlossers hell und scharf klingenden Trompete, wirklich umwerfend.
Rolf Marx und Henning Gailing stehen da nicht zurück, auch wenn Hennings Bass nicht so gut zu hören ist. Rolfs kristallklare Töne brillieren wie eine Kette bunter Perlen. Henning Gailing singt bei Love is here to stay mit seiner sonoren Stimme. Mich begeistert der im Quartett (g,b, dr, as) gespielte Bossa-Standard Desafinado mit Chris am AltSax. Gefeiert wird das mit Blues-Sprengseln gespielte Bésame Mucho von Nat King Cole, denn auch das Publikum ist umwerfend. Nach fast jedem Solo gibt es Applaus und nach dem ersten Set hält der Beifall lange an wie sonst am Ende eines Konzerts.
Ein Pianist kann einfach nicht ohne Duke Ellington. Das ist gut so und gilt auch für Chris. Wir hören im Trio (p, b, dr) Montevideo, ein spätes Stück des Dukes, das er in ebendieser Stadt geschrieben hat; mich erinnert es stilistisch an Dave Brubeck. Rührend ist wie die Band am Ende Ellingtons Just Squeeze Me (But Don't Tease Me) summt bzw. singt, mit einer eindrucksvollen Begleitung des Trompeters (s. Foto oben). Dann My Little Suede Shoes von Charlie Parker in einem Latin groove zum Schluss und ein schönes Konzert geht zu Ende.
- 'Ein Fest'
„Es war ein Fest für die Band“, erzählte Chris später, das war es auch für das Publikum, ein wirklich wunderbares Konzert, an das man sich bestimmt noch länger erinnert. Nach 17 Stücken sind inzwischen zweieinhalb Stunden vergangen. Der Regen hat aufgehört. Draußen wird es dunkel und im Wassergraben der grün angestrahlten Burg quaken laut die Frösche. Ihnen hats wohl auch gefallen. Rätsel am Ende: welcher berühmte Jazzer wird mit einem Frosch in Verbindung gebracht?
- Wie geht es weiter?
Wer in der Kemnade nicht dabei war, kann ein ähnliches Konzert, allerdings ohne Axel Schlosser und Jean-Paul Höchstädter, erleben :
• am So, 10. Juli 2022 (11:30) in WEGBERG Flachsmuseum, bei gutem Wetter open-air, Holtumer Straße 19 und
• am Mo, 11. Juli 2022 (19:30) in KÖLN im King Georg Jazzclub
Für November ist ein besonderes Event im Bochumer Anneliese Brost Musikforum Ruhr geplant:
• So 13. Nov 2022 (18:00)
Chris Hopkins
' FunTastenFest - zum 50. International Stride & Swing Piano Summit mit 4 Pianisten an 2 Flügeln