Ein echtes Ereignis mal wieder!
Tampere Jazz Happening 2023
TEXT: Chistoph Giese | FOTO: Maarit Kytöharju & Riika Vaahtera
Das Tampere Jazz Happening bot wieder einiges auf in diesem Jahr - diesjähriges Gastland war Deutschland, auch viel Szene aus NRW war in Finnland zugegen.
Kristallklar klingen die Noten von ihrem Instrument. Alina Bzhezhinska und ihr fünfköpfiges HipHarp Collective mit dem vorzüglichen Saxofoisten Tony Kofi bezirzt das Publikum in Tampere vom ersten Ton an. Weil die Harfenistin auf der einen Seite schon noch ihren beiden Idolen auf der Jazzharfe, Alice Coltrane und Dorothy Ashby, huldigt, auf der anderen Seite aber ihre eigene Klangsprache einbringt und sie den Rahmen dessen was mit einer Harfe im Jazz improvisatorisch so möglich ist aufregend ausdehnt. Etwa in ihren Interaktionen mit dem Saxofon von Tony Kofi. Das große, sperrige Instrument ist zwischen den Händen der in London lebenden, gebürtigen Ukrainerin eine präsente, aufregend freigeistige und sehr gestalterische Stimme.
Deutsche Nacht
Eine weitere bärenstarke Stimme auf dem Saxofon ist die von Fabian Dudek, der im zweiten Teil einer deutschen Nacht beim Tampere Jazz Happening mit dem Quartett Dudek-Hauptmann-Goller-Berger begeistert, auch wenn Drummer Leif Berger wegen Erkrankung kurzerhand ersetzt werden musste. Ganz canceln musste gar die Band Salomea der Sängerin Rebekka Salomea, bei der Berger auch mittrommelt. Jedes Jahr legt das Festival in Tampere einen Abend lang das Scheinwerferlicht auf ein Gastland, dieses Mal war es Deutschland. Und während Sängerin und Musikerin Kira Hummen mit ihrem Trio den Langeweile-Faktor nur schwerlich ablegen konnte, zeigte sich dieses neu formierte Quartett um Fabian Dudek als hochenergetische, jederzeit mitreißende Einheit, die kompositorische Vorlagen als Ausgangspunkt nutzt für errende frei Improvisationen.
Und es gab noch mehr Bands mit deutscher Beteiligung zu hören in Tampere. Das urgewaltige Quartett KUU! etwa, das mit wilder Jazz-Punk-Rock-Attitüde Genregrenzen einfach wegwischt. Oder die zauberhafte Pianistin Julia Hülsmann mit ihrem Quartett. Oder ganz zum Abschluss der Posaunist Janning Trumann mit seinem Trio-Projekt X Nosacrum und einem ziemlich frei improvisierten Set aus Posaune, Schlagzeug und Electronics.
Nigerianische Wurzeln
Mit der schon lange in London lebenden, gebürtigen Nigerianerin Camilla George und dem US-Amerikaner Marcus Strickland standen am vorletzten der insgesamt vier Festivaltage zwei Mal Saxofon mit jeweils eigenen Bands direkt hintereinander auf dem Programm. George sucht schon seit längerem musikalisch nach Verbindungen zu ihren nigerianischen Wurzeln, ist als junge Frau in England aber auch mit HipHop aufgewachsen. So klingt ihre Musik in Tampere mit Rapperin Sanity mal modern nach Straße, schielt aber auch nach Afrika rüber. Das alles gefällig und sehr schön, aber leider erst am Ende des Sets mit mehr Biss. Spirituell und wesentlich packender klang da anschließend Marcus Strickland´s oft von einer Hammondorgel angetriebene Band Twi-Life.
Südafrikanisches Flair
Südafrikanisches Flair verströmte Pianist Nduduzo Makhathini mit seinem Trio. Der südafrikanische Pianist und Sänger ist viel mehr als ein Musiker, seine viel zu lange, philosophische Rede mitten in seinem gut einstündigen Set riss aber nicht nur aus der sehr schönen, teils hymnischen, beseelten Musik, sondern war auch nur schwer wirklich inhaltlich zu verstehen. Was man alles ohne große Worte in seine Musik packen kann, das zeigte das Goran Kajfeš Subtropic Arkestra. Die Band des schwedischen Trompeters mit kroatischen Wurzeln mischt so viele Stile so schlüssig zu einer sehr unterhaltsamen Mischung zusammen, dass es einfach eine Freude ist, diese Band live zu erleben.
Den bedeutenden Yrjö-Award des finnischen Jazzverbandes bekam in diesem Jahr übrigens die Saxofonistin Linda Fredriksson in Tampere verliehen. Und zahlreiche weitere finnische Musiker wie Trompeter Verneri Pohjola, Saxofonist Jimi Tenor oder Bands wie Laurell & Sun Dog machten das diesjährige Tampere Jazz Happening zu eben genau dem, einem Ereignis.