Ein beseeltes Duo
Ramón Valle und Omar Rodriguez Calvo im Dorstener LEO
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Zbyszek Lewandowski
„Ich spiele immer wieder gerne hier, denn das Publikum hört so konzentriert zu. Das ist nicht überall selbstverständlich“ gab Ramon Valle, der kubanische, schon seit 20 Jahren in Amsterdam lebende Tastenzauberer unmittelbar nach seinem Auftritt im Dorstener LEO zum Besten. Dass er schon zum vierten Mal im Rahmen der „Fine Art Jazz“- Reihe gastierte, kann also kein Zufall sein. Diesmal gab es ihn und seinen Mitstreiter Omar Rodriguez Calvo am Bass im Duo – und das funktionierte bestens!
Bei Konzerten von Jazzcombos kommt ja häufig der Wunsch auf, eine Solistin oder einen Solisten mal ganz alleine zu hören. Auch wenn Ramon Valle und sein Bassist Omar Rodriguez Calvo aufeinander bezogen sind, werden viele solcher Träume wahr. Denn Ramon Valle ist ein unglaublich vielseitiger Spieler, dessen riesiger Klangsinn weit über jede Jazzidiomatik hinaus reicht. Fast war man im LEO der Illusion erlegen, dass hier auf einmal ein neuer, mächtig klingender Flügel steht. Aber dieser Eindruck ist allein dem Spiel des Kubaners geschuldet. Seine Improvisationen sind weitgespannte, atmende Fantasie-Exkursionen – das wirkt aber nicht wie Abschweifung, denn mittendrin besinnt er sich immer wieder auf direkte Kommunikation, wenn pulsierende Latin-Wendungen und kluge Jazzeinwürfe aufblitzen, der rote Faden für sich, seinen Partner und das Publikum wieder aufgenommen wird.
Herrlich frei und assoziativ leben die langen Stücke an diesem Abends. Da pulsiert etwa ein lässiger, die Seele streichelnder Rumba-Rhythmus, auf dem zu neuen Traumreisen aufgebrochen wird. Augenhöhe zwischen den beiden Musikern herrscht allemal: Auch Bassist Omar Rodriguez Calvo genießt hörbar die Zweierkonstellation, vor allem weiß er um seine Verantwortung, wenn er jetzt allein für die Rhythmusgruppe zuständig ist. Vielgestaltig und vital findet sein Spiel überall hinein - und übernimmt auch selbst gerne die Führungsrolle! Das hätte endlos so weiter gehen können. Aber wenn es am schönsten ist, sollte man das Ganze mit dem beliebten Kultstück, Leonard Cohens, immer wieder zuverlässig die Seele streichelndem „Hallelujah“ verklingen lassen.
Jazz funktioniert im solidarischen Miteinander von Musikern, Veranstaltern und Publikum am besten. In dieser Hinsicht spielt esich nach dem Konzert eine symbolträchtige Szene ab: Da der gemietete Steinway unmittelbar nach dem Abend zu einem anderen Konzert „weiterreiste“, fanden sich genug starke Männer aus dem Publikum, um das sicherlich circa 300kg schwere Instrument von der Bühne zu heben.