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Effektvoll unter Spannung gesetzt

Shalosh im Jazzclub Hürth

Hürth, 19.04.2022
TEXT: Dr. Michael Vogt | FOTO: Kurt Schürmann

Lange hatte der Jazzclub Hürth auf diesen Abend hingearbeitet. Endlich war es dann soweit: Fünf Jahre nach dem ersten Auftritt in Hürth, bei dem das Trio das Publikum mit Musik seines zweiten Albums „Rules of Oppression“ begeistert hatte, spielte „Shalosh“ endlich wieder im Jazzkeller.

Eigentlich hätten die sympathischen Musiker aus Tel Aviv schon 2020 ins Rheinland zurückkommen sollen, um ihre neueste CD „Broken Balance“ im Rahmen einer Release-Tour vorzustellen. Aufgrund der Pandemie musste die Konzertreihe jedoch verschoben werden. Mit dem Auftritt in Hürth startete die große Europa-Tournee, die Gadi Stern (Klavier), David Michaeli (Bass) und Matan Assayag (Schlagzeug) in den kommenden Monaten durch Deutschland, Luxemburg, Österreich, Schweden, Israel, Katalonien, Tschechien sowie Metropolen wie Berlin, Barcelona, Prag oder Amsterdam führen wird.Poetisches Portrait der Heiligen Stadt

Entsprechend groß war die Spannung in der gemütlichen Spielstätte des Jazzclubs auf der Hermülheimer Straße. Schon mit den ersten Takten zeigten die Musiker, dass sie ihrem makellos arrangierten und bis ins letzte Detail ausgetüftelten Sound treu geblieben sind. Allerdings machten sie ebenso schnell deutlich, dass sie sich in den letzten Jahren entschieden weiterentwickelt haben. Der Shalosh-Stil, der unbändige Energie, eine dichte, streckenweise fast sinfonische Üppigkeit, klassische Virtuosität sowie orientalische Tonfolgen mit rhythmischer Freiheit und elektrisierendem Rock verbindet, klingt reifer und noch ausgefeilter, die Bandbreite der Kompositionen noch facettenreicher.

Das konnte man auch im direkten Vergleich hören: Auf dem Programm standen nicht nur Kompositionen der aktuellen CD, sondern auch Nummern, die „Shalosh“ bereits vor fünf Jahren im Gepäck hatten. Dazu zählte unter anderem „Jerusalem State Of Mind“ – ein ausgesprochen poetisches Portrait der Heiligen Stadt mit ihren Geräuschen, ihrem quirligen und lauten Zusammenleben der Religionen, Bekenntnisse und Lebensentwürfe. In den ersten Takten tastete sich Gadi Stern mit zaghaften Arpeggien des Klaviers scheinbar suchend vor, fand im subtilen Dialog mit Bass und Perkussion konkretere Formulierungen, betrat dann bekannter scheinendes Terrain, um dann urplötzlich eine unerwartete Hetzjagd durch unregelmäßig peitschende Beats und akustische Einwürfe aufzunehmen.

Komplexes Geflecht aus Stimmen und Harmonien

Die Mischung der Einflüsse von Grundge bis marokkanischer Musik, das Moment der Überraschung, das schon vor Jahren Kennzeichen der Musik von „Shalosh“ war, zeichnet auch die Stücke des aktuellen Albums wie „The Emperor’s New Clothes“ oder „The Orphan Boy Who Wanted To Be A King“ aus. In Kompositionen wie diesen wird eine neue melodische Herangehensweise der Interpreten greifbar. Im lyrischen Urgrund, den die Stücke entwerfen, vollziehen sich jedoch immer wieder – dem Titel der aktuellen CD entsprechend – Brüche, entstehen Irritationsmomente und Schieflagen, durch die sich eine Art Sog entwickelt, der erst in der Zuspitzung, der Krise, wenn man so möchte, wieder zu eben jenem Urgrund der Musik zurückführt.

Unter der Dusche

Im Laufe des Abend spielte das Trio nicht nur eigene Kompositionen. Mit dem Mega-Hit „Take On Me“ der norwegischen Achtziger-Pop-Gruppe „a-ha“ betrieb die Formation ein kunstvolles Vexierspiel mit dem „ultimativen Lied zum Unter-der-Dusche-singen“, wie Gadi Stern das Stück augenzwinkernd ankündigte. Eine Anverwandlung, in der sich der bekannte Refrain in ein komplexes Geflecht aus Stimmen und Harmonien auflöste – harmonisch verwandelt und mit Hilfe eines dramatischen Trugschlusses effektvoll unter Spannung gesetzt.

„Wir bringen erstklassigen Jazz in unsere Region!“

Günter Reiners, Vorsitzender des Jazzclubs Hürth, war nach der Zugabe hellauf begeistert. „Ich muss schon sagen, meine extrem hohen Erwartungen an dieses Konzert wurden von Gadi, David und Matan noch übertroffen. An den letzten Besuch des Trios in Hürth haben viele Mitglieder und regelmäßige Gäste immer wieder gern zurückgedacht. Was die drei uns heute Abend geboten haben, war fantastisch. Es hat uns aber auch vor Augen geführt, wie sehr sich die Musiker weiterentwickelt haben. Die lange Vorbereitung und das intensive Kontakthalten mit „Shalosh“ hat sich wirklich gelohnt. Das ist eben auch Teil unseres gemeinnützigen Engagements, eine Arbeit, deren Ergebnisse man oft nicht auf den ersten Blick sieht, aber die am Ende doch Früchte trägt. Immerhin hat Hürth die Europa-Tournee dieser Musiker eröffnet, von denen wir in Zukunft noch sehr viel mehr hören werden. Darauf sind wir natürlich mächtig stolz und ich kann an dieser Stelle festhalten: Wir bringen mit dem Jazzclub erstklassigen Jazz in unsere Region und sorgen dafür, dass der Name unserer Stadt auch in der internationalen Szene ein Begriff ist!“

Auseinandersetzung mit Robert Schumann

Das nächste Konzertereignis, auf das der Jazzclub hinweisen möchte, ist der Dialog mit Robert Schumann, den Johanna Summer am 22. April 2022 im Löhrerhof in Alt-Hürth vorstellt.

Die in Dresden und Köln lebende Pianistin veröffentlichte 2020 das Album „Schumann Kaleidoskop“ (ACT), auf dem sie sich improvisierend mit dem Klavierwerk eines der bedeutendsten Komponisten der deutschen Romantik auseinandersetzt.

Auf ihrer CD geht Johanna Summer einen assoziativen, empfindsamen Dialog mit dem Klavierzyklus „Kinderszenen“ ein, aus dem auch die bekannte „Träumerei“ stammt. In ihren Interpretationen wehen Schumanns originale Stücke wie von ferne heran, um verwandelt aufzuscheinen und zum Ausgangsmaterial für etwas Neues zu werden. Ihr zutiefst romantisches Konzept, das sich Schumann aus der Jazz-Perspektive nähert, brachte Malakoff Kowalsk in DIE ZEIT förmlich zum Schwärmen: „Ist das jetzt Klassik oder Jazz? Die Pianistin Johanna Summer macht mich vor Glück schwindelig.“

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