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Dystopie und Wärme

Fuchsthone Orchestra in der Immanuelskirche

Wuppertal, 04.09.2024
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Stefan Pieper

Viele Insider der Jazz-Szene strömten nach Wuppertal – und wurden Zeugen eines Ereignisses, das niemanden unberührt ließ. Zwei Stunden später verließen nahezu alle die Immanuelskirche überwältigt, beseelt, beinahe erleuchtet. Das Fuchsthone Orchestra hatte diesen Ort nicht zufällig gewählt, denn der kam wie gerufen, um neue Dimension zu schaffen. Heraus kam ein Erlebnis für alle Sinne, das visuelle Kraft, atmosphärische Dichte und eine tiefgehende Botschaft vereint.

Hier geht es um mehr als die Zurschaustellung höchsten musikalischen Könnens, um viel mehr: Das Fuchsthone Orchestra begreift Musik als soziales, interaktives Handeln, um damit auch globale Botschaften zu transportieren. Die beiden Kölner Bandleaderinnen Christina Fuchs und Caroline Thon schärfen mit diesem Konzept über das Medium der Musik den Blick auf das große Ganze – auch und gerade in ihrer aktuellen Reihe „reloaded“, zu der das Konzert in der Immanuelskirche gehörte.

Also wirkten auch die zwei Sets in Wuppertal wie eine seismografische Echokammer für die Emotionen dieser Welt - man kann hier auch ruhig mal den Terminus „Jazzoper“ strapazieren. Caroline Ton führte im ersten Teil die Feder – es ging um Räume, um ästhetische Reflexionen unserer oft dystopischen Realität. In den tiefen, dunklen Klangfarben spiegelte sich die Zerrissenheit unserer Zeit. Das Orchester brandete auf, entfesselte sich in kollektiven Improvisationen und fand immer wieder zu lyrischen Ruhepunkten zurück. Geerdet in menschlicher Wärme, die das Spiel aller Beteiligten durchzog.

Wieder übernahm Barbara Barth den Vokalpart, was allein schon extrem vielschichtig daher kam, reichte die Palette doch von expressionistischer Stimmakrobatik über poetischen Jazzgesang bis hin zur Song-Poetry, die die Botschaft des Abends konkretisierte gipfelnd im zutreffenden Slogan, dass wir doch alle im selben Boot sitzen. Laja Genc am Klavier faszinierte mit träumerischer Sensibilität, Susanna Leharova elektrisierte mit ihrem Violinton, und Jens Düppe am Schlagzeug gestaltete die Dynamik mit hypnotischen Snare-Drum-Akzenten – das nur als ein paar Beispiele. Die Akustik der Immanuelskirche, die sich anfangs als Herausforderung erwies, entfaltete schließlich eine beeindruckende Wirkung.

Das synästhetische Gesamterlebnis wurde durch innovative Lichtkunst perfektioniert. Claudia Schmitz kreierte eine visuelle Welt, die den Raum mit rotierenden geometrischen Figuren und abstrakten, wuchernden Lichtmustern füllte. Texturen aus Licht und Formen breiteten sich unvorhersehbar aus und waren so intensiv aufgeladen wie die Klangeruptionen des großen Ensembles. Eine Kombination aus punktuellen Farbtupfern und suchscheinwerferartigem LED-Licht durchzog den Raum, während Soundwände aus sattem Blech und sphärischen Elektronikklängen das Publikum umfingen. Die analoge Kunstform von Schmitz, die mit Papierobjekten arbeitete und diese projizierte, schuf eine visuelle Wucht, die dem Energielevel des Orchesters ebenbürtig war.

Eine unaufgelöste Harmonie als Fragezeichen an die Zukunft?

Teil 1 endete auf einem unaufgelösten Akkord – ein musikalisches Fragezeichen, das die unsichere Zukunft unseres Planeten symbolisiert, aber auch die Hoffnung, die in der menschlichen Energie steckt. Der zweite Konzertteil, diesmal unter der kompositorischen Leitung von Christina Fuchs, widmete sich der Metapher des Wassers. Das Thema – die bedrohten Ressourcen unserer Welt – spiegelte sich in den klanglichen Strömungen wider. Instrumente glucksten und sprudelten, während das Orchester in einem Crescendo die Urgewalt des Ozeans heraufbeschwor.

Zahlreiche eloquente solistische Stimmen, darunter Roger Hanschel s dramatisches Saxophonspiel oder Zuzana Leharovas elektrisierende Violine, finden ihren Platz in diesem Klang-Ozean, der oft wie ein wärmender Strom aufbranded in seinen mächtigen Crescendi. Derweil das Zusammenspiel von Musik und visueller Inszenierung permanent den gesamten Raum in Schwingung versetzt...

In der Zugabe führte Caroline Ton das Publikum mit einem kunstvollen Big-Band-Satz eines Barockstücks zu einem erstaunlichen Finale – die hier entstehende Dramaturgie, mit der eine zärtliche Melodie des Komponisten Johann Georg Pisendel zu etwas umfassenderen anwuchs, markierte treffend die Essenz dieses unvergleichlichen Orchesters mit seinen hochmotivierten Musikerinnen und Musikern. So geht es zum wenn sich viele individuelle Charaktere auf eine gemeinsame, kraftvolle Einheit einschwören!

Ein neuer Spiel- und Lernort für Large Ensembles

Die Immanuelskirche hat sich mit diesem Konzert als aufstrebender Hotspot der NRW-Jazz-Szene etabliert, vor allem, wenn von Auftritts- und Probemöglichkeiten für große Besetzungen die Rede ist. Unter der Leitung von Karl-Heinz Krauskopf und unterstützt vom Förderverein Kulturzentrum Immanuel e.V. wurde das Programm „Immanuel goes Bigband“ ins Leben gerufen, das die Kirche - heute ein Kulturzentrum, das zum Beispiel schon seit vielen Jahren als hochkarätiges Aufnahmestudio genutzt wird - nun auch zu einem Zentrum der Jazzorchester-Kultur ertüchtigt.

Deswegen geht es auch weiter in Wuppertal: Am 21. September 2024 steht das Wolfgang Schmidtke Orchestra auf der Bühne, am 16. November 2024 folgt das JugendJazzOrchester NRW mit dem Ausnahmesänger Tom Gaebel, und am 13. Dezember 2024 bringt die WDR Big Band ihr umfangreiches Repertoire mit perfektem Sound. Alle Konzerte beginnen um 20 Uhr, Einlass ist jeweils um 19 Uhr.



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