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Drei Musiker, vier Instrumente

Accordeon Affairs in der Jazzschmiede

Düsseldorf, 09.02.2021
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: website

Kunst kommt in erster Linie von Können. Im Trio „Accordeon Affairs“ drückt sich dies allein schon durch die Tatsache aus, dass hier drei Musiker vier Instrumente spielen. Wohlgemerkt nicht abwechselnd – sondern meist simultan. Und so, als wenn das seit jeher völlig selbstverständlich wäre. Dabei haben Jörg Siebenhaar (acc und p), Peter Baumgärtner (dr) und Konstantin Wienstroer nun wirklich alles andere als eitle Akrobatik im Sinn. Bei ihrem Streaming-Konzert in der Jazzschmiede versinken sie in Musik, die aus dem fruchtbaren Nährboden gereifter Jazztraditionen und folkloristischer Einflüsse viele neue Gewächse hervorbringt.

Schwelgerische Impressionen, aus denen sich eine beredte Ballade formt, lyrische Bögen, die sich weiter spannen, da diesen drei Spielern so vieles dazu einfällt – das ist der Stoff, aus dem musikalische Träume entstehen, die mediterrane Wärme entfalten, wenn das Akkordeon leichtfüßige Gesänge im Musette-Stil in der Tradition von Richard Galliano anstimmt, wenn Walzermetrum oder Latin wie frische Windstöße für Bewegung sorgen. Aber die drei können auch anders. Dann türmen sie polymetrische Strukturen auf, geht es groovig und improvisationsselig vorwärts.

Verblüffend: Das alles wirkt so lässig-elegant und selbstverständlich, dass es kaum noch verwunderlich erscheint, dass hier ja eigentlich ein Musiker auf der Bühne fehlt, währen sich jeweils Accordeon und Klavier in reicher Klangfülle und Präsenz sehr unabhängig behaupten. Jörg Siebenhaar macht beides mal eben gleichzeitig, so, als wenn das nichts wäre. Klavier mit einer Hand geht noch – es gibt ja sogar große Klavierkonzerte, die allein für eine Hand komponiert wurden. Noch viel mehr muss es rein kräftemäßig eine Bravourleistung sein, einhändig das Akkordeon mit Luft zu versorgen, also den Balg zu bewegen und gleichzeitig die Tasten zu spielen. Wohlgemerkt wiegt ein ausgewachsenes Konzertakkordeon etwa 12 Kilogramm. (Wie das überhaupt geht, danach hätte WDR-Moderatorin Nina Heinrich in ihrem Live-Interview auch mal nachfragen können, denn genau das interessiert wohl viele Zuschauer...)

Technik wird sekundär, wenn Musiker mit Seele dahinter stehen und etwas zu sagen haben – und das ist bei Accordeon-Affairs definitiv der Fall! Peter Baumgärtner zeigt sich tief versunken, wenn er rhythmisch alles im Fluss hält. Bassist Konstantin Wienstroer lenkt mit hoher Präsenz und innerer Ruhe die Geschicke, mischt sich als inspirierter Melodiker ein. So kann die Reise immer weiter gehen, etwa in einer Melodieseligen Beatles-Adaption oder auch einem Weltschmerzbeladenen Tango-Nuevo-Exkurs. All dies ist der Stoff, aus dem unaufgeregte, spühende Jazz-Konversationen erfolgen, die auf diese Weise endlos weiter gehen könnten.

Die Kameraführung in der Jazzschmiede muss aber noch verbessert werden: Über die ganze Konzertdauer die Bühne aus der Weitwinkel-Totale abzufilmen, ist von vorvorgestern. Der Zuschauer zuhause wünscht sich Gesichter, Nahaufnahmen, Schwenks und Dynamik. Aber vielleicht kommt so etwas ja noch! So hochkarätige Musiker wie das Trio „Accordon Affairs“ haben es verdient.

Konzertvideo unter:

https://www.youtube.com/watch?v=xl1SxnhE2j0

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