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Die Zukunft beginnt jetzt

Punkt Festival 2012

Kristiansand, 10.09.2012
TEXT: Christoph Giese | FOTO: Christoph Giese (Archiv), Punkt Festival

Die Zukunft beginnt jetzt. Zumindest beim „Punkt“Festival in Kristiansand. Die achte Ausgabe des Live Remix-Events an Norwegens Südküste fand zum ersten Mal im neuen Spielort statt. Mit dem direkt am Wasser gelegenen Kilden Performing Arts Centre und seinen vier Spielstätten von intim bis zum Theater- und Opernhaus mit 700 Sitzplätzen und dem großen Konzertsaal mit knapp 1.200 Sitzen unter einem Dach, hat sich Norwegens sechstgrößte Stadt mit gut 80.000 Einwohnern ein echtes Schmuckstück für die Kultur erbauen lassen. Seit Anfang des Jahres ist Kilden eröffnet und nach sieben Ausgaben im leicht heruntergekommenen, aber ungemein atmosphärischen Agder Theater war die große Frage, wie „Punkt“ am neuen Spielort funktionieren würde. Gut, lautet die Antwort. Der neue Konzertsaal klingt klasse und der neue Alfa Room, die intime, dunkle Spielstätte für die Live Remixe, hat trotz weniger Intimität als am alten Ort ebenso Atmosphäre.

Das mit der jetzt beginnenden Zukunft ließe sich auch auf das diesjährige Programm ummünzen. Hatte Brian Eno, der hochkarätige Kurator aller drei Festivaltage, doch weitestgehend Bands und Künstler vorgeschlagen, deren vermeintlich rosige Zukunft gerade erst begonnen hat. Wie bei „Three Trapped Tigers“ aus seiner englischen Heimat etwa, die mit donnerndem Schlagwerk, harten Gitarrensounds und mit Höllentempo sich durch schräge Rhythmen spielten. Eine Hochdruckmusik, nicht übel, aber magisch wurde es erst im anschließenden Remix des „Punkt“-Dreamteams. Führten die beiden „Punkt“-Macher Jan Bang und Erik Honoré zusammen mit Trompeter Arve Henriksen und Gitarrist Eivind Aarset Extrakte des britischen Trios in verzaubernde, sphärische Weiten.

Verzaubern, das taten auch „Cyclobe“ aus England, eine absolute Festival-Entdeckung. Dabei gibt es die Band um Stephen Trower und Ossian Brown, die erst in diesem Jahr Filme des britischen Regisseurs Derek Jarman neu vertonte, bereits weit mehr als ein Jahrzehnt. Nur live spielen taten sie bislang fast nie – der Auftritt in Kristiansand war erst ihr insgesamt dritter! „Cyclobe“ rückte mit ungewöhnlichem Instrumentarium wie der hurdy-gurdy an und vermischte die Klänge der Drehleier mit flächigen Synthesizersounds, mit Doom und Drone-Einflüssen zu faszinierenden, sich langsam entwickelnden Klangkosmen. Fein auch, wie „Marconi Union“, die in Kristiansand das allererste Mal überhaupt live ein Konzert remixten, den „Cyclobe“-Auftritt in ihrem Remix interpretierten – mit warmen Fender Rhodes-Tupfern und ebenso sensiblen Elektronikklängen, in denen Zitate von „Cyclobes“ Musik scheinbar unspektakulär, aber ungemein geschickt eingewoben waren.

Mit Künstlern wie den Isländern von „Múm“ oder dem kanadischen Geiger und Sänger Owen Pallett hatte „Punkt“-Kurator Brian Eno die Poplastigkeit der diesjährigen Festivalausgabe noch einmal unterstrichen. Nicht immer boten die Hauptkonzerte allerdings das Besondere. Durchweg spannend waren da eher die Live Remixe. J. Peter Schwalm, ein Stamm-Remixer bei „Punkt“, entpuppte sich erneut als ungemein fantasievoller Klanggestalter. Davon profitierte auch spürbar Brian Eno, der sich auf das dünne Eis des Live Remixens begab und sich dazu auch noch den Auftritt von Reggie Watts ausgesucht hatte. Dessen Frisur ist mit wildem Afrolook noch brav beschrieben. Vor lauter Haaren sieht man manchmal das Gesicht des US-Amerikaners gar nicht. Watts ist Beatboxer, Spontan-Comedian, Spoken Word-Artist, Musiker, begnadeter Sänger mit grandioser Soulstimme und ausgestattet mit schwarzem Humor, mit dem er auch darauf eingeht, wo er sich gerade befindet. Aus diesen Zutaten zimmert der Mann sich sein Soloprogramm. Wie würde man das anschließend nur remixen? Brian Eno versuchte es gemeinsam mit J. Peter Schwalm, mit dem ihn eine lange Zusammenarbeit verbindet. Man merkte: der Frankfurter fühlte sich wohl und in seinem Element, Brian Eno weniger. Durch Loops und Ambientklänge drangen gesungene Sprachfetzen von Reggie Watts durch und am Ende wurde es auch noch richtig rhythmisch mit einem singenden Brian Eno.

Was bleibt sind bleibende Eindrücke, auch auf neuen Tonträgern. Bei einem Gratiskonzert an einem Mittag stellten Erik Honoré und Greta Aagre ihr neues gemeinsames Album vor. Der „Punkt“-Macher und seine singende Gattin haben mit weiteren Musikern wie Arve Henriksen „Year Of the Bullet“ (Jazzland/Universal) aufgenommen, ein feinsinniges und berührendes Singer/Songwriter-Werk, angereichert mit Samples und Elektronik. Honoré ist auch beim gemeinsamen Projekt „Uncommon Deities“ (Samadhisound/Galileo MC) mit Jan Bang beteiligt. Auch hier ist unter anderen Arve Henriksen dabei, des weiteren die Sängerin Sidsel Endresen und als Textrezitator der „Punkt“-Kurator des letzten Jahres, David Sylvian, auf dessen Auftragsarbeit, einer audiovisuellen Installation für das „Punkt“ Festival, diese wahrlich außergewöhnliche CD basiert. Für das nächste Jahr geistert übrigens schon der Name eines möglichen Festival-Kurators durch den Raum - der amerikanische Filmemacher David Lynch könnte es werden.

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