Die zehn Gebote des Clowns
Ein zirzensisches Vergnügen
TEXT: Heinrich Brinkmöller-Becker | FOTO: Heinrich Brinkmöller-Becker
Die Idee zu einem Clownsprojekt lag über zwei Jahre auf ihrem Schreibtisch, nach einer viel beachteten Pulcinella-Inszenierung mit über 150 Schülerinnen und Schülern an der Wuppertaler Opernbühne in der Tradition der commedia dell’arte war für die Violinistin und Komponistin Gunda Gottschalk die Zeit reif für das Projekt: Die 10 Gebote des Clowns. Hinter dem Titel verbirgt sich das programmatische Credo von Hervé Langlois - von „alles wird gut“ bis zu „Um das Große zu finden, solltest du das Kleine suchen“. Aus diesem Dekalog des Clownesken entwickelt Gunda Gottschalk eine Revue für Streichensemble, Posaune und Perkussion sowie vier Clownsdarsteller. Musikalisch mit Film, Theater, Tanz per Improvisation eine Verbindung einzugehen, ist Gunda Gottschalk nicht fremd, im Augenblick gestaltet sie zum Beispiel mit Martin Blume und Eckard Koltermann im Rahmen der Ausstellungsreihe Kunst und Kohle das Live-Bild-Klang-Experiment Germinal.
Gemeinsam mit dem Bassisten Sebastian Gramss komponiert sie für das neue Projekt die Musik, die bewusst auch improvisatorische Öffnungen enthält. Jean Laurent Sasportes, früheres Ensemblemitglied des Pina Bausch Tanztheaters, führt Regie und zeigt selbst wunderbare Tanzeinlagen. Ansonsten sorgen Performer und Jongleur Felix Bürkle, „Profi-Clownin“ Mieke Stoffelen und Schauspielerin Luise Kinner für einen bunten Reigen performativer Einfälle. Letztere ist den Wuppertalern noch aus ihrer Rolle als Julia in der Robert Sturm-Inszenierung ‚Romeo und Julia’ in bester Erinnerung.
Die große Bühne in den Riedel Hallen wird diagonal bespielt, eine Empore gibt eine zusätzliche Handlungsdimension. Nicht überrascht, dass auch die Zuschauerbänke in die Inszenierung einbezogen sind. Die Musiker sind im Hintergrund platziert, zum Teil sind sie szenisch direkt eingebunden. So tanzt Jean Laurent Sasportes um Sebastian Gramss mit seinem Kontrabass. Oder in der Mitte der Inszenierung füllt sich die Bühne mit allen Akteuren zu einem furiosen Tutti. Oder vier Musiker bestreiten gemeinsam mit Mieke Stoffelen eine Szene. Oder Felix Bürkle ist in einem Duett mit Matthias Muche zu sehen, alle Streicher und Posaunist rahmen den ausgelassenen Tanz von Felix Bürkle ein...
Die vier Clowns zünden ein Feuerwerk an Possen per Spiel, Tanz, Jonglage und akrobatischen Einlagen, skurrile Einfälle wie ein regnender Regenschirm, ein Regen mit Clownsnasen, Hockey mit Straßenbesen und viele Slapstick-Elemente fügen sich zu einer humorgetränkten Nummernrevue – ganz im Sinne einer clownesken Gegenwelt, ganz im Sinne der 10 Gebote des Clowns.
Zusammen mit der Musik entsteht ein organisches Ganzes, die erfrischende Gesamt-Performance erinnert an Straßentheater-Ästhetik, an Commedia dell’arte. Die Musik arbeitet in den auskomponierten Teilen mit Zitaten von Nino Rota, der viele Filmmusiken des Zirkus-begeisterten Federico Fellini komponierte, u.a. für den Film I Clowns (1970). An die Gelsomina aus Fellinis La Strada erinnert in der Schlussszene Luise Kenner, die mit der Trompete die Prozession des Ensembles anführt.
Musik und Instrumentierung mit Streichensemble (Sebastian de Jesus Lara Franco, Robert Wheatley, Catarina Rodrigues, Enrique Carlsson, Christine Schäfer, Miriam Bathe), mit dem Perkussionisten Simon Camatta , Sebastian Gramss und dem Posaunisten Matthias Muche erzeugen eine überaus stimmige Entsprechung zur darstellerischen Leistung der Clowns. Es entsteht eine wunderbare atmosphärische Dichte. Neben der lautmalerischen Unterstützung der Bühnenaktion tragen Musik und Musiker zu dem rundum gelungenen zirzensischen Gesamtvergnügen bei.
Die kindliche Angst vor Clowns – ein Jean Laurent Sasportes bekanntes Gefühl – wird auch in der Vorstellung bestätigt: Ein Kind lässt sich auch von der Spontaneinlage der Profi-Clownin nicht von seinem Weinen abhalten, das erwachsenere Publikum von der gegenseitigen Befruchtung von Musik, Spiel und Akrobatik begeistert.
Das zirzensische Vergnügen kann noch zweimal in den Riedel Hallen in Wuppertal erheitern, und zwar am 12. Und 14. Juli jeweils um 20 Uhr – gemäß dem 3. Gebot: „Du sollst immer im Jetzt sein und niemals zu spät kommen.“