Bild für Beitrag:
Bild für Beitrag:
Bild für Beitrag:
Bild für Beitrag:

"Die Herzen öffnen"

Frische Klänge zum Jahresauftakt bei jazz in between

Münster, 06.01.2016
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Stefan Pieper, Andrea Gerlach

Das bestens etablierte Jazzfestival in Münster zeigt, dass diese Musikrichtung mit den vier Buchstaben viel mehr als nur eine „Nischenkultur“ ist. Standard ist, dass die Konzerte vor stets ausverkauften Rängen über die Bühne gehen – und viele Sponsoren geben diesem Kulturereignis eine stabile Basis. Aber könnte nicht angesichts von weit über 40000 Studierenden auch mehr junges Publikum den Konzerten beiwohnen? Wie kann man hier besser Kultur, die für alle offen sein will, vermitteln? An der Musik kann es jedenfalls nicht liegen: Denn die mutet überhaupt nicht verstaubt oder verkopft an. Auch ist keine jahrzehntelange „Spezialisten-Hörerfahrung“ nötig, um die Botschaften des Gespielten zu erfassen.

In bestem „studentischen“ Alter ist die Band um die deutsch-polnische Sängerin Natalia Mateo. Die junge Formation lotet subtil und empfindsam die Schnittstellen zwischen Ost- und Westeuropa aus, das allein ist schon ein erfrischender Ansatz genug. Die etwas spröde, reichlich introvertierte Ausstrahlung der Sängerin könnte auch jeder Indie-Band zur Ehre gereichen - im großen Münsteraner Theater führte dies jedoch dazu, dass der Funke dieser Musik eher nur punktuell übersprang. Die melancholisch empfindsamen Songs gehen auf Traditionen aus Natalia Mateos Heimat zurück, eröffnen hier manchmal einen staunenswerten Reichtum, aber sie geben aber auch der spielfreudigen Klangwelt dieser Musiker Raum. Ganz groß war eine Nummer mit eindringlichem Sprechgesang,wo sich auch das expressive Stimmpotenzial Natalia Mateos zeigte und später eine sehr rhythmische Nummer, die auf ein Kinderlied zurück ging. „Dessen Text ist so obszön, dass ich ihn hier nicht übersetzen will“ bemerkte Natalia augenzwinkernd. Aber phasenweise streichelte die Musik dieser Band im Münsteraner Theater eher die Oberflächen, als das es wirklich tief unter die Haut ging.

Überhaupt keine Rede sein konnte hier von bei einem Duo aus dem nahen Nachbarland im Westen: Der Harfenist Remy van Kesteren sowie der Trompeter Eric Vloeimans wissen nur zu gut, wie man mit dem Publikum, aber auch untereinander in reibungsvoll und verspielt zugleich kommuniziert. Lyrisch, eloquent, ideenreich bläst Vloeimanss auf seinem Horn – Remy van Kesteren hört sich hier mit ganzer Empfindung hinein, antwortet mit einem Saitenspiel, dessen Vielgestaltigkeit verblüfft.

Und welche Freude entfaltet sich hier! Aber Eric Vloiemans hatte ja auch in seinen charmanten Moderationen kundgetan, dass man hier Herzen öffnen will.

Ganz weich intoniert er Phrasen, was manchmal fast wie bei Molvaer anmutet, später lädt sich sein Spiel umso feuriger und druckvoller auf, da könnte man manchmal an jemanden wie Dave Douglas denken. Dieser Niederländer ist groß darin, so viele Klangfarben und Aggregatzustände zu einem fließenden Bögen zu vereinen.

Remy van Kesteren auf seiner Harfe hört sich hinein in die Linien seines Partners, lässt sich fallen in tiefe Empfindung und spielerische Imagination. Da flirren die Glissandi, da wird das Trompetenspiel seines Partners mittels hochvirtuoser Läufe „beantwortet“ und mutiert die Konzertharfe manchmal zu einem perkussiven Rhythmusinstrument. Erstaunlich ist, wie zwei dermaßen ungleiche instrumentalen Stimmen eins werden. Melodios und empfindsam ist das Spiel, manchmal auch raffiniert vertrackt. Und so mancher verblüffte Aha-Effekt im Publikum wird durch Klassik-Zitate von Smetana oder Milhaud eingestreut. Aber vor allem lebt diese Begegnung von der eigenen Kreativität der beiden Niederländer. Eric Vloeimans führt humorvoll und etwas spitzzüngig aus, warum Jazz so elementar ist: „Wenn man Beethoven oder Bach einfach nur spielt, kann man immer andere für die Musik verantwortlich machen. Wenn ich selber etwas erfinde, trage ich diese Verantwortung selbst.“ Auf jeden Fall zeugten die verspielten Dialoge dieser beiden von höchstem Verantwortungsgefühl für den gelungen musikalischen Moment.

Große Jazzbands widmen sich gerne Projekten, in denen die universelle Kunst der Mitakteure in den Dienst einer Sache gestellt wird. Beliebt sind Aufarbeitungen bestimmter Kapitel aus der Rockmusik-Geschichte. Die französische Großformationen von Franck Tortiller hat sich der Ikone Janis Joplin angenommen - das ist seitens der Jazzer noch ein eher selten beackertes Terrain. Sänger Jacques Mahieux und sein lässiges Bluesfeeling taugen durchaus für ein solches Unterfangen. Rockmusik-Stücke leben von ihrer Aura und ihrem Sound – vor allem, wenn es um so eine Ikone wie Janis Joplin geht. Deren Stücke werden durch Franck Tortillers Band zu zeitlosen Arrangements in bodenständiger Rock- und Blues-Idiomatik umgedeutet. Und was zu Anfang noch reichlich gefällig wirkt, steigert sich immer mehr zu einer dynamisch-drauflos rockenden Interaktion, bei der vor allem das kraftstrotzende, lupenrein getime Schlagzeugspiel von Patrice Heral wie ein unwiderstehliches Epizentrum wirkte.Jener lockerte die Show zwischendurch auch mal durch eine abgedrehte Vocal- und Beatbox-Einlage in skuriller Weise auf.

Bild für Beitrag:
Bild für Beitrag:
Bild für Beitrag:
Bild für Beitrag:
Bild für Beitrag:
Bild für Beitrag:
Bild für Beitrag:
Bild für Beitrag:
Suche