Die große Gestalterin
Dianne Reeves & Essener Philharmoniker
TEXT: Christoph Giese | FOTO: Saad Hamza
Als Dianne Reeves vor gut zweieinhalb Jahren mit der WDR Big Band schon einmal in der Essener Philharmonie vorbeischaute, erlebte man eine angestrengte Sängerin, die immer wieder auf die Notenblätter vor ihr mit den komplexen Arrangements starren musste. Das war dieses Mal nun ganz anders. Keine Brille auf der Nase, keine Notenblätter. Die mehrfache Grammy-Gewinnerin aus den USA konnte frei von der Seele singen, begleitet von ihrer vertrauten, langjährigen Band und den Essener Philharmonikern.
Es wurde ein großartiger Konzertabend. Weil die Reeves eigentlich alles singen kann. Und alles irgendwie zu ihren eigenen Liedern umgestaltet. Jazzstandards wie „Stormy Weather“ oder „Lullaby Of Birdland“, aber ebenso einen Pophit wie „Dreams“ aus der Feder von Fleetwood Mac-Sängerin Stevie Nicks. Oder Bob Marleys „Waiting In Vain“, das bei Dianne Reeves an diesem Abend nur stellenweise wie eine Reggae-Nummer klingt.
Mit ihrer kraftvollen, wandelbaren Alt-Stimme kann sich die Amerikanerin mühelos in den Schnittstellen von Jazz, Blues, Soul und R&B bewegen. Und genau das tut sie in Essen. Worte benötigt sie dabei gar nicht immer unbedingt. Wenn die Sängerin zu ihren Scateinlagen ansetzt, wird sie zu einem zusätzlichen Instrument.
Das Zusammenspiel mit den opulent besetzten Essener Philharmonikern unter der Leitung von Jules Buckley funktioniert zudem bestens. Was für Klangbilder, was für ein Rahmen für die starke Stimme von Dianne Reeves. Und die macht aus einer gesungenen Vorstellung der beteiligten Musiker am Ende ihres fantastischen Auftritts noch eine weitere Demonstration ihrer vokalen Improvisationsfantasien. Tosender Beifall und das völlig zu Recht!