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Die Entdeckung der Langsamkeit

Antoine Beuger – Japan Trilogie

Düsseldorf, 25.02.2016
TEXT: Uwe Bräutigam | FOTO: Uwe Bräutigam

Der Sonntag im Düsseldorfer Klangraum, steht ganz im Zeichen Japans. Der holländische Komponist Antoine Beuger, der im Rheinland lebt, führt eine Japan Trilogie auf, drei Kompositionen, die alle einen Bezug zu Japan haben. Ein wahres Mammutprogramm, sechs Stunden Musik, Stille und Stimme, sechs Stunden Lyrik und Musik.

Eingebunden ist dabei das japanische Chitose Trio, das in Deutschland und Holland auf Tour ist. Die Musikerinnen sind Mitglieder des berühmten Reigakusha Gagaku Ensemble in Tokyo. Sie spielen drei verschiedene traditionelle Holzflöten. Die Gagaku Musik ist seit dem 7. Jh. die höfische Musik Japans und seit 2009 UNESCO Weltkulturerbe.

Das Chitose Trio hat in Trier auf dem OPENING für Neue Musik gespielt.

Die drei Kompositionen von Antoine Beuger basieren alle auf Gedichten. Die Stimme ist ein wichtiges Instrument in den Werken. Beuger ist ein Meister der Entschleunigung, die Texte werden so gelesen, dass jedes Wort Raum und Abstand zum nächsten hat. Ein Text, dessen Lesung im normalen Sprachduktus vielleicht zwischen fünf und zehn Minuten dauert, wird in 40 Minuten vorgetragen. Die Musik begleitet die Lesung auf eine sehr subtile Art. „Sie moduliert die Stille“, wie Beuger es ausdrückt.

Der Einfluss von John Cage ist unüberhörbar.

Das erste Werk ist eine Textübersetzung des japanischen No-Theater Poeten Zeami Motokiyo (1363-1443), die Antoine Beuger bearbeitet hat, so dass alle Worte einsilbig sind. Statt Blume heißt es nun blum. Beuger nennt dies „eine Art Kindersprache“. Zeami bringt mit dem Gedicht den Schmerz über den Tod seines Sohnes zum Ausdruck.

Der holländische Schauspieler und Sprecher Joep Dorren sitzt auf einem Kissen mit gekreuzten Beinen und sammelt sich. Hitomi Nakamura sitzt einige Meter entfernt auf einem Stuhl mit ihrer Hichiriki, einem Doppelrohrblattinstrument, das wie eine Piccoloflöte aussieht und deren Klang einer Oboe ähnelt, aber kräftiger und gedrungener ist.

Hitomi Nakamura spielt auf der Hichiriki einen einzigen lang gehaltenen Ton, dann folgt Stille, das wiederholt sie einige Male. Die Hichiriki Spielerin entscheidet wie lange sie spielt. Wenn sie endet, beginnt Joep Dorren den Text zu sprechen. Beuger hat zu jedem Wort angegeben ob es hoch, sehr hoch oder tief bzw. sehr tief gesprochen werden soll. Die gewöhnliche Stimmlage soll vermieden werden. Die konkrete Ausgestaltung obliegt dem Sprecher. So bekommt jedes Wort etwas Besonderes, Herausgehobenes, jedes Wort steht für sich. Jedes Wort wird langsam gesprochen und danach folgt eine Pause. Das Wort, der Klang erhebt sich aus der Stille und kehrt wieder in sie zurück.

Nach einer Stunde Pause, in der kleine Snacks und Tee bereit stehen, beginnt das zweite Werk. Hier sind auch die anderen zwei Chitose MusikerInnen dabei, Ko Ishikawa (Sho, Mundorgel) und Mami Tsunode (Ryoteki, Querflöte) sowie die Sopranistin Irene Kurka.

Die Liebesgedichte zwischen dem buddhistischen Mönchspoeten Ryokan (1758-1831) und der Nonne und Poetin Teishin (1798-1872), der Austausch von Gedichten an Ryokans Totenbett und das kurze Vermächtnis Gedicht von Ryokan bilden die Textgrundlage, die Joep Dorren und Sylvia Alexandra Schimag im Wechsel sprechen. Die Musiker setzen mit ihren Holzbläsern während der Lesung einzelne Akzente, ebenso Irene Kurka, die einzelne Töne oder kurze Worte singt und am Ende sogar einige Verszeilen.

Die gesprochenen Worte sind so verlangsamt, dass sie an Kin-hin, das meditative Gehen im Zen, erinnern. Die Alltagsbewegung wird verlangsamt und mit voller Achtsamkeit ausgeführt, so wird der Unterschied zwischen Alltag und Transzendenz aufgehoben.

Nach einer längeren Pause folgt das dritte und längste Konzert (4 Std). Neben den japanischen Instrumenten werden nun auch europäische Instrumente eingesetzt:

Germaine Sijstermans, Klarinette, Andrè O. Möller, Zither, Tobias Liebezeit, Vibraphon, Marcus Kaiser, Cello und Antoine Beuger, Klanghölzer.

Das Langgedicht “On Flower Wreath Hill / Am Blumenkranzhügel (1972) des amerikanischen Poeten Kenneth Rexroth (1905-1982), dessen Poesie stark vom Jazz und von ostasiatischer Kultur geprägt ist, wird nun von Joep Dorren gelesen. Rexroths tiefgründige Naturlyrik und seine Auseinandersetzung mit der Vergänglichkeit kennzeichnen dieses Spätwerk. Blumenkranzhügel ist im japanischen eine Umschreibung für einen Friedhof.

Die Komposition von Beuger orientiert sich an der Struktur des Gedichtes. Die ersten sieben Abschnitte des Werkes sind jeweils zwanzig Minuten lang und der letzte Teil dauert achtzig Minuten. Zwischen den einzelnen Abschnitten gibt es kurze Pausen.

Die Musiker sind im Raum verteilt. Joep Dorren liest das Gedicht zwar langsam, er spricht jedes Wort einzeln, aber der Sprachduktus kommt einer gewöhnlichen Lesung schon nahe.

Die Musik besteht nur aus geblasenen und gestrichenen Tönen, auch das Vibraphon wird mit einem Bogen gestrichen. Einzig die sparsam eingesetzten Klanghölzer klacken ab und zu. Obwohl nur akustische Instrumente verwendet werden, entsteht ein Klang, wie bei der elektronischen Musik eines Synthesizers. Besonders das japanische Instrument Sho klingt einer Orgel sehr ähnlich. So entsteht ein schwebender Klang im Raum, der manchmal an die tranceartige elektronische Musik von Tangerine Dream erinnert. Die Musik entfaltet sich an verschiedenen Orten des Raumes, dann setzt die Sprechstimme ein und wenn die Strophe beendet ist klingt die Musik weiter und verhallt irgendwann.

Bei diesem Werk hätte ich mir gewünscht, die Musiker hätten sich etwas mehr zurückgenommen, wenn der Sprecher einsetzt. Das wunderbare Gedicht von Kenneth Rexroth hätte es verdient verstanden zu werden. Trotz aller Aufmerksamkeit ist dies nur stellenweise möglich, trotz eines Platzes direkt gegenüber dem Sprecher. Die entfernt sitzenden Zuhörer und die im Raum platzierten Musiker können den Text überhaupt nicht verstehen.

Nichts desto trotz machen die Auswahl der Lyrik, der besondere Einsatz von Sprechstimme und Musik, die Konzerte der Japan Trilogie von Antoine Beuger, zu einer ganz besondere Erfahrung von Klang, Sprache und Stille.

http://www.timescraper.de/antoine-beuger.html

http://www.timescraper.de/_concert-series/klangraum.html

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