Die Einsamkeit feiern ...
Michael Wollny solo im Konzerthaus Dortmund
TEXT: Christoph Giese | FOTO: Christoph Giese
Dortmund, 12.12.2021 │ Nur ein Klavier steht auf der Bühne. Aber mehr braucht Pianist Michael Wollny im Dortmunder Konzerthaus auch nicht um ein aufmerksam lauschendes Publikum mit seinem Spiel zu verzücken.
Seine erste Soloplatte dauert 46 Minuten und 38 Sekunden. Das ist genau jene Zeitdauer, die Apollo 11-Astronaut Michael Collins im Juli 1969 alleine im Raumschiff „Columbia“ und ohne Funk- und Sichtkontakt zur Erde war, während seine beiden Kollegen Buzz Aldrin und Neil Armstrong erstmals den Mond betraten. So einsam wie sich Collins damals gefühlt haben muss, erging es auch Michael Wollny bei den Aufnahmen zu Mondenkind (ACT) im Frühjahr 2020. Das erzählt Deutschlands populärster Jazzpianist freimütig im Dortmunder Konzerthaus. Berlin war leer, die Straßen, das Hotel, in dem er wohnte. Und auch der Toningenieur im Aufnahmestudio saß ein paar Räume weiter.
Wollny ganz allein an einem Konzertflügel, ohne technischen Schnickschnack, sowohl beim Einspielen der Solo-CD als auch in Dortmund auf der Konzertbühne. Klaviermusik pur, ein konzentrierter Blick nach innen, manchmal nur kurze atmosphärische Miniaturen. Mal improvisiert, dann aus Vorlagen inspiriert. Von Musik der US-Singer/Songwriterin Tori Amos etwa. Oder von einem deutschen Volkslied. Oder vom zweiten Satz der „Sonatine Nr. 7“ von Rudolf Hindemith.
Daraus kreiert Michael Wollny Stimmungen, mischt Farben, gibt sich lyrisch, verträumt melancholisch, um auch mal kurzzeitig mächtige Klangberge aufzutürmen und sich zu regelrechten Tastengewittern verleiten zu lassen. Aber dann geht es gleich auch wieder in eine introvertierte Klangsuche.
Michael Wollny feiert auf den 88 schwarz-weißen Tasten eben in erster Linie die Einsamkeit, zwischen Schönheit und Düsternis. Um ganz am Ende, nach zwei Zugaben, sein zuvor gebannt lauschendes Publikum mit einem sanften Wiegenlied auf den Heimweg durch die dunkle, vielleicht auch einsame Nacht zu schicken.
CD
Michael Wollny: Mondenkind (ACT 2020)