Bild für Beitrag: Die, die da sind, sind wichtig | Lucia Cadotsch in der Philharmonie Essen
Bild für Beitrag: Die, die da sind, sind wichtig | Lucia Cadotsch in der Philharmonie Essen
Bild für Beitrag: Die, die da sind, sind wichtig | Lucia Cadotsch in der Philharmonie Essen
Bild für Beitrag: Die, die da sind, sind wichtig | Lucia Cadotsch in der Philharmonie Essen

Die, die da sind, sind wichtig

Lucia Cadotsch in der Philharmonie Essen

Essen, 26.01.2022
TEXT: Peter E. Rytz | FOTO: Sven Thielmann

Lucia Cadotsch gab im RWE-Pavillon der Philharmonie Essen mit ihrem Trio Speak Low (Otis Sandsjö, sax und Petter Eldh, b), featuring Kit Downes an der Hammond-Orgel ein Privatkonzert, wie jemand gegenüber dem Servicepersonal beim Betreten des Saales amüsiert lachend bemerkte. Wenig mehr als 50 Besucher fanden bei diesem regnerisch trüben Wetter den Weg in dieses Jazzkonzert.

Dass die nur spärlich auf den vorderen Reihen verstreut sitzenden Zuhörer die Musiker demotivieren, lässt sich nicht so ohne weiteres schlüssig feststellen. Es gilt die Binsenwahrheit: Die, die da sind, sind wichtig. Sie bescheinigen mit ihrem Hiersein zuerst einmal sich selbst ihre Neugierde und ihr Interesse.

Andererseits ist Cadotschs Gesang in seiner düster verhangenen, nonchalanten Beiläufigkeit durchaus gewöhnungsbedürftig. Ihre klassisch ausgebildete Stimme schreitet in metrischer Langsamkeit Klangräume aus. Speak Low, der Name des Trios ist Programm. Kanons von Standards, Kompositionen von Randy Newman (I Think It's Going to Rain Today) oder Tony Williams (What's New / There Comes a Time) erkundet Cadotsch narrativ flirrend. Ihre Stimme rhythmisiert Melodien in aphoristischer Parlando-Anmutung.

Eldh erforscht die kanonische Klangfarbigkeit in ihrer Vielfalt mit einer seinen Kontrabass umarmenden Innigkeit, als würde er seinen Herzschlag im Instrument als essentielle Resonanz finden. Mit dem mitunter in gestisch körperlicher Extrovertiertheit ambitionierten Tenorsaxophonisten Sandsjö antizipiert Eldh dialogische Echo-Räume: So Long.

Ode an eine leise Langsamkeit

Je länger das Konzert andauert, umso intensiver schattiert Downes‘ Hammond-Orgel den Sound des Trios, wechselnd zwischen emotional poetischem Ausdruck und attackierender Heftigkeit über die gesamten Orgelregister. Mit Black Is the Color of My True Love's Hair, der von Kurt Weill vertonten Ballade vom ertrunkene Mädchen aus Bert Brechts Hauspostille, verändert Cadotsch ihre Gesangsposition demonstrativ. Nach dem sie bis dahin in somnambuler Traumverlorenheit zwischen Eldh und Sandsjö wandernd, in mitunter irritierender Gelassenheit ans Mikrofon tritt, konzentriert sie sich fortan mit unbedingter Augenblick-Klarheit auf Downes‘ Orgelspiel.

Im abschließenden Song Speak Low versammeln Cadotsch & Co. ihre minimalistisch konnotierte Programmatik als eine Ode an eine leise Langsamkeit punktgenau. Assoziativ changierend, mäandriert Cadotschs Gesang zwischen pyschedelic-post-punk-Facetten und den Sound-Collagen von Patti Smith und Laurie Anderson.

Speak Low II – ein enigmatischer und sensibel arrangierter, unverkennbarer Sound. Sich auf ihn einzulassen, ist eine Chance, ausgetretene kanonische Hör-Wege zu verlassen und Musik neu zu erleben. In jedem Fall konnte man sich in magischen bis hypnotischen Momente beim Zuhören in einem eigenen Selbstverständnis spiegeln.

Suche