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Diagnose Jazz mit August Zirner und Spardosen-Terzett

Begeisternde Jazz-Geschichte und –geschichten

Essen, 29.12.2017
TEXT: Heinrich Brinkmöller-Becker | FOTO: Heinrich Brinkmöller-Becker

Die Reihe Jazz in Essen begeht den Jahresausklang traditionell mit einem Programm, das mit theatralischen Ambitionen über eine reine Musikveranstaltung hinausgeht und dabei einen gewissen Unterhaltungswert verspricht. Tritt der bekannte und beliebte Schauspieler August Zirner als Rezitator und Flötist mit dem Essener Spardosen-Terzett auf, ist ein volles Haus im Grillo-Theater garantiert. Und das Programm mit dem Titel Diagnose Jazz mit einer gekonnten Mischung aus Musik, Texten und professioneller Rezitation erfüllt die Erwartungen voll und ganz. Geschichte des Jazz, Sozialgeschichte vor allem der 50er und 60er Jahre in den USA und die Lebensgeschichte von drei legendären Musikern zu verbinden, ist ein anspruchsvolles Unterfangen. Dass dies gelingt, liegt an einer klugen Dramaturgie bei der Montage von Wort und Musik und einer überzeugenden sprachlichen und musikalischen Darbietung.

Das Programm beginnt mit Claude Debussys Syrinx mit August Zirner an der Querflöte, unmittelbar leitet dieser zur Rezitation von Texten von Geoff Dyer über, in denen charakteristische Kapitel aus dem Leben von Charles Mingus, so z.B. seinem Rausschmiss aus der Ellington-Band, erzählt werden. Dies führt Rainer Lipski (Klavier), Kai Struwe (Kontrabass), Mickey Neher (Schlagzeug) und August Zirner an der Querflöte zu einer Version von Caravan. Weiter geht es mit der halbfiktionalen, sehr einfühlsamen Annäherung an die Musik und Musiker und ihre durch Gewalt und Rassismus geprägte Zeit, von August Zirner meisterlich interpretiert. So wird der Kern des Jazz als Schrei gegen Sklaverei und Unterdrückung, als „Klang der Plantagen“ gedeutet, worauf jeweils Mingus’ Back Home Blues und Work Song gespielt werden. Die Seelenverwandtschaft von Mingus und Rahsaan Roland Kirk wird in nächsten Episoden und Musiktiteln von Kirk wie Portrait Of Those Beautiful Ladies, dem beschwingten A Laugh For Rory und Here Comes The Whistleman thematisiert. Bei Letzterem versucht Zirner das Publikum zum Mitpfeifen zu animieren – mit mäßigem Erfolg, wie er bereits bei der Anmoderation ahnt.

Die Tragik der Lebensgeschichten der drei charakterisierten Musiker nimmt Zirner auf, etwa indem er in einer Anekdote die Nervenkrankheit von Mingus anspricht, die diesen Anfang der 1970er Jahre ereilt und ihn am weiteren Bassspiel hindert. Oder die ergreifende Geschichte des Treffens von Mingus und dem vom Schlaganfall halbgelähmten Kirk, der trotz seiner Lähmung versucht, weiter Saxophon zu spielen. Auch dies eine Facette von Diagnose Jazz in dem zweideutigen Titel, der die Krankheit der drei Musiker als Teil ihrer Persönlichkeit und ihres Schaffens begreift.

Dies wird im zweiten Teil des Abends weiter deutlich, der Thelonious Monk gewidmet ist. Eingeleitet von Misterioso, versteht Zirner es, das mysteriöse Genie und dessen kauzig-autistische Kommunikation mimisch, gestisch und sprachlich nachvollziehbar zu machen. Die Band spielt gekonnt und gut aufgelegt weitere Monk-Titel wie Epistrophy, Hackensack, Straight No Chaser, wobei Zirner als Flötist durchaus mithalten kann. Der eindrucksvollen Episode über Monks Kontakt mit einem rassistisch motivierten brutalen Polizeieinsatz, bei dem des Pianisten Hände mit Knüppeln traktiert werden, folgt Monk’s Mood. August Zirner greift noch einmal Motive von Syrinx auf, um das Konzertende zu markieren. Der starke Applaus führt zu drei Zugaben. Bei der ersten – Serenade To a Cuckoo – demonstriert August Zirner seine Flötisten-Sozialisation durch den Jethro Tull-Flötisten Ian Anderson. Dieser war mit den adaptierten Spieltechniken von Rahsaan Roland Kirk sicherlich kommerziell erfolgreicher – auch das eine typische Facette der Jazzgeschichte. Take Five und In A Sentimental Mood entlassen ein begeistertes Publikum, das einen besonderen Abend mit Geschichte und Geschichten des Jazz, der Musik und ihrer Musiker erleben konnte, wie sie Buchwissen nicht zu vermitteln vermögen. August Zirner zitiert im Laufe des Abends genüsslich hilflose Beispiele für klägliche Definitionsversuche aus enzyklopädischer Sicht. Die Vermittlung durch Diagnose Jazz kommt dem Wesenskern des Jazz da deutlich näher.

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