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Der Papst möchte gern ins Eiscafe

Helge Schneider bei den Ruhrfestspielen

Recklinghausen, 20.06.2021
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Marlon Gerlach

Helge Schneider ist Jazzmusiker, aber auch Berufsspaßmacher aus Passion - beides wäre undenkbar ohne die Improvisation. Improvisation ist aber auch Kommunikation mit Publikum. Wenn das fehlt, wird es anstrengend, dass haben viele Musikerinnen und Musiker bei den Livestream-Konzerten gelernt. Im Rahmen der Ruhrfestspiele spielte Helge Schneider einen Aufritt - zwar live und open air, aber mit großem Abstand von einer installierten Bühne inmitten eines Stadion-Spielfelds. Optimal war so etwas nicht...

Im letzten Jahr hatte es Helge Schneider noch kategorisch abgelehnt, vor maskiertem Publikum aufzutreten. Jetzt ist der Jazzmusiker, Bühnenimprovisator und schräge Ruhrgebietsentertainer nun doch auf die Bühne gekommen. Im Stadion Hohenhorst machte der gebürtige Mülheimer damit ernst, sein Publikum zum Lachen zu bringen. Und wenn es in Zeiten der Pandemie und ihres Umgangs damit so langsam nichts mehr zu sagen gibt, kann man sich immer noch in die Musik flüchten. Schneiders Trio-Band spielt einen exquisiten Jazz und Blues.

Helge Schneiders Mischung aus (scheinbar) sinnfreiem Spaß und exquisiten musikalischen Einlagen ist unvergleichlich und kaum beschreibbar, man muss es selbst erleben. Und auch wenn es garnichts zu sagen gibt, hat dies bei Schneider noch viel mehr Gewicht, als bei allen anderen medial gehypten Comedy-Figuren zusammen. In Recklinghausen hat er sein Publikum auf Anhieb mit seiner Präsenz und gewonnen. Und er sagt zwischen den Zeilen, was Sache ist und was er davon hält. Geizt nicht mit Anspielungen auf die merkwürdigen, ja eigentlich kaum erträglichen "Arbeitsbedingungen" in dieser Zeit. Für so gefährlich hielte er sein Publikum nicht, als dass hier dieser Metallgitterzaun vonnöten wäre. Als Ruhrpöttler mit ganzer Seele sagt Helge Schneider die Dinge ehrlich heraus: Die meisten, ja eigentlich, alle anderen Auftritte waren besser als dieser hier, eben aufgrund der gerade herrschenden Rahmenbedingungen.

Titeltrack aus dem aktuellen Album "Mama"

Da bleibt nichts anderes übrig, als den Blues zu spielen. Der erzählt die Geschichte vom Papst, der eigentlich doch lieber einen anderen Beruf gewählt hätte. Zum Beispiel Teekoch. Ein solcher ist üblicherweise bei jedem Schneider-Auftritt dabei und reicht auch an diesem warmen Sommerabend dem illustren Bandleader die Tasse. Ob der Papst gerade auf dessen Teufelskostum in rotem Lack neidisch ist? Das bestechende musikalische Niveau der Jazz- und Blues-Arrangements hält auf jeden Fall jedem Flachsinn locker stand. Helges größer Hit "Katzeklo" trägt einen einen leichtfüßigen, aber um so stilsicheren Swing vor sich her, bevor es sich in den Fünfvierteltakt von Dave Brubecks Take Five hinein stürzt. Das Titelstück der neuen Platte "Mama" offenbart liebevollen Nonsense aus heutigen Tagen. Auch hier gibt der Gitarrist gibt in bestens geöltem Gipsy Swing alles. Eine hintergründige Momentaufnahme liefert der Song "Mann ohne Gesicht" - in Zeiten, wo Gesichter im öffentlichen Raum oft verborgen sind. Hinter der sprühenden Musikalität und dem schrillen Klamauk-Feuerwerk verbirgt sich an diesem Abend viel Nachdenklichkeit, ja Verbitterung über alles, was Künstlern und Kulturhungrigen in diesen Zeiten zugemutet wird. Wer hat an diesem Abend mehr verpasst?

Jemand, der hier im Stadion hinterm Metallgitterzaun sitzt? Oder wer sich zuhause bei Will, Lanz und co. die Welt erklären lässt? Das Nachdenken über solche Fragen überlässt Helge Schneider seinem Publikum. Hinter dem wohl talentiertesten (und vermutlich auch musikalisch begabtesten) Komödianten verbirgt sich eine empfindsame Künstler-Seele. Da ist es wohl kein Zufall, dass jenes lange, intensive Saxofonsolo, welches der erfahrene Multinstrumentalist schließlich als finale Zugabe hinlegt, auch so manchen klagenden Unterton hat.

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