Der Niederrhein feiert
Das 29. Jazzfestival Viersen
TEXT: Bernd Zimmermann | FOTO: Zbyszek Lewandowski | Bernd Zimmermann
Das Jazzfestival Viersen setzt auf bekannte Namen und fährt dabei nicht schlecht. Der Jazz bleibt dabei manchmal ein kleines bisschen auf der Strecke. Spannenden Jazz gab es allemal - wenn auch mit Hindernissen.
Alljährlich feiert der Niederrhein in und um Viersen auf dem von Ali Haurand 1986 initiierten Jazzfestival, dass demnach im nächsten Jahr den 30. Geburtstag feiern wird. In diesem Jahr waren die Vorverkaufszahlen so positiv, dass sich die Veranstalter genötigt sahen, die Stadthalle zur Hälfte unbestuhlt zu lassen. Den Start in der Stadthalle vollzog David Krakauer, begleitet von der schon traditionell beim Jazzfestival Viersen antretenden WDR Big Band unter der Leitung von Richard DeRosa. Somit stand Klezmer auf dem Programm. Aber nicht irgendein Klezmer, sondern der von David Krakauer mit den legendären Klezmatics entwickelten Modern Klezmer, bei dem durchaus mal Ska und sogar Anleihen an Funk und Rock durchscheint.
Nebenan auf der Bühne 2 im kleinen Saal hatte es Wolfgang Haffner sich gemütlich eingerichtet. Nachdem er im letzten Jahr krankheitsbedingt kurzfrsitig absagen musste, hatten die Veranstalter das mit ihm geplante Projekt kurzerhand in dieses Jahr verschoben. Als eine Art Artist in Residence gestaltete er mit verschiedenen Formationen den gesamten Freitag. Beginnend mit seinem Trio (Hubert Nuss/Piano und Christian Diener/Bass), folgte im zweiten Set ein Duo mit Christopher Dell. Diese präsentierten kraft- und gefühlvolle Open-Space-Variationen - rein improvisierte Stücke. Vor allem Christopher Dell zauberte ein subtiles Farbspektrum an Klängen mit seinem Vibraphon, mal überbordend rockig, mal fein und balladesk. Schade nur, dass dieser musikalische Höhepunkt iin dem für einen Mann wie Haffner viel zu kleinen Saal der Stadthalle stattfand. Um trotzdem möglichst vielen Besuchern die Gelegenheit zu geben, die Konzerte dort zu verfolgen, wurden die Türen geöffnet, was den Nachteil hatte, dass das Stimmengewirr aus dem direkt an den Raum anschliessenden Foyer in den leisen Passagen der Konzerte ziemlich störte.
Auf der großen Bühne folgte am Freitag nach der WDR Big Band das Projekt der Schauspielerin Meret Becker. Warum gerade sie mit ihren Singer-/Songwriter - und Country & Western Programm in Viersen eine Bühne bekam, bleibt das Geheimnis der Veranstalter. Bei allem Verständnis für die Öffnung zur Musik in andere Genres - auf einem Jazzfestival sollte aber auch dabei Qualität und Kreativität oberste Prämisse bei der Wahl der Acts sein.
Den zweiten Tag eröffnete der "neue" Nils Wülker, der mit seiner im Frühjahr erschienen CD "Up" auf neuen Pfaden wandelt. Viel Gesang - in Viersen übernahm das Rob Summerfield - und eingängige Melodien stehen bei Wülker nun im Vordergrund. Und das neue musikalische Konzept gibt ihm recht. Dem Publikum gefiel es.
Leider auch wieder nur im kleinen Saal gab es dann die nächste überraschende Entdeckung. Die dänische Formation "Girls in Airports", ohne Girls aber dafür mit einer ungewöhnlichen Besetzung (2 Drums, 2 Saxophonisten und ein Keyboard-Elektroniker) zeigten dem Niederrhein, wohin sich außerhalb Deutschlands der junge europäische Jazz entwickelt. Die fünf Dänen bauen stilistisch in ihre Stücke ein, was ihnen gerade in den Sinn kommt. Wenn man überhaupt Lust hat diese frische neue Musik in irgendwelche Schubladen zu pressen, dann kann man sie am ehesten als Modern Progressiv-Jazz-Rock bezeichnen.
Den Abschluss des Samstag bestritt Nigel Kennedy und Band. Bestens gelaunt präsentierte sich der "Alt"-Punker der Klassik in Viersen in allerbester Laune und bediente sich dabei fleissig bei Bach und Jimmy Hendrix. Beginnend mit sanften bachschen Jazz-Adaptionen im Stile eine Jacques Loussier, nahm das Konzert schnell mächtig Fahrt auf und wurde zu einem mitreißenden Rockkonzert.
Alles in allem war Viersen in diesem Jahr sehr bunt. Auch der obligatorische Keller soll in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben, in dem, anders als oft auf anderen Festivals der Nachwuchs und die regionale Szene eine Bühne findet. Es scheint nur Vorsicht geboten, dass der Raum für Jazz nicht zu klein wird und das Wort "Jazz" aus dem Titel des Festivals gestrichen werden müsste. Schade wäre es um eine so tradtitionsreiche Veranstaltung, die Viersen weit über den Niederrhein hinaus bekannt gemacht hat.