Stimmen der Freiheit
PENG FESTIVAL Nachlese Vol. 2
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Stefan Pieper
Die Ausstrahlung des PENG-Festivals macht nicht nur seine engagierte Programmatik aus, sondern ebenso sein verlässlich hoher künstlerischer Standard. Im Idealfall – der in der Essener Maschinenhalle aber schon die Regel ist – kommt beides zusammen. Mit dem Konzert des Sheen-Trios um die aus Teheran stammende Klarinettistin Shabnam Pavaresh verschaffte sich eine symbolträchtige Stimme der Freiheit Gehör – zufällig fast genau zu dem Zeitpunkt, an dem die inhaftierte iranische Aktivistin Narges Mohammadi den Friedensnobelpreis erhalten hat.
Die Musik sagte noch viel mehr als Worte in diesem Moment. Shabnam Pavaresh (Klarinette), Ulla Martyn-Ellis (Gitarre) und Philipp Buck (Schlagzeug) gebrauchen ihre Instrumente als Werkzeuge für unmittelbarsten emotionalen Ausdruck. Klagend, aufbegehrend, aber auch freudvoll den Moment feiernd, spielt Shabnam Paravesh ihre Bassklarinette. Ulla Martyn-Ellis bekennt schon nach den ersten Momenten dieses Konzerts Farbe als eine der aufregendsten aktuellen Spielerinnen auf der elektrischen Gitarre. Dichte Klangwände durchdringend, befindet sich ihr Spiel auf einer unablässigen Suche nach Schönheit in der Dissonanz. Schlagzeuger Philipp Buck lädt all dies mit ruhelos pochenden Energiefeldern auf - wie sie auf unruhige Zeiten nur so passen.
Die Stücke, wie sie Shabnam Pavaresh kreiiert, sind dunkel, mystisch, aber auch ungemein sinnlich. Irgendwann mal spült die Liveelektronik das Gezirpe und Geknarze eines veralteten Internet-Modems in diesen Klangozean hinein. Das Regime in Shabnam Pavareshs Heimat unterdrückte und unterdrückt nach wie vor alles Mögliche, was frei ist - vor allem auch Musik. Da wurde schon oft das Internet zum Lebensstrohhalm, in dem es aber manchmal Tage dauerte, um ein einziges Musikstück aus der freien Welt herunterzuladen.
Die Abende beim PENG-Festival pflegen ein gleichberechtigtes Miteinander aus eingeladenen Exklusiv-Artists und aktuellen Projekten seitens der PENG-Akteurinnen. Viele Fenster öffneten sich an diesem Abend in Bezug auf aktuelle künstlerische Entwicklungsstände: Die Musik von Mara Minjoli s Band Metromara kommt, verglichen mit den mystischen Klangozeanen des Sheen Trios, vergleichsweise bodenständig daher - aber genau darin liegt auch die Qualität von Mara Minjoli s Band. Die solide Mixtur aus RnB, Singer-Songwriter-Pop und Jazzrock wärmt die Seele, reißt mit und bekennt eigenständige Note. Hinter Mara Minjoli s coolem Gesang steht ein persönliches Songwriting, das sich in der souveräner Arrangierkunst der Band bestens zu Hause fühlt. Als Bereicherung für den knackigen Flow dieser Musik erwies sich der eingeladene Luxemburger Pol Belardi als Gastmusiker am E-Bass. Schlagzeuger Benni Koch ließ gegen Ende des Sets mit einem mächtigen Drumsolo das kolossale Maschinenhaus erbeben - was etwas heißen soll.
Maika Küster ist eine charismatische Sängerin mit eigenwilliger, unter die Haut gehender Stimme und einer solchen Bühnenpräsenz, bei der die Band mit überwältigendem Soundkonzept tatkräftig mitwirkte. Dieser finale Auftritt zog in eine hypnotisierende Welt aus ätherischen und cineastischen Stimmungen hinein. Zentriert ist alles um Maika Küsters Gesang, der eindringlich schön, manchmal verführerisch die ganze Stimmungspalette der Songs abbildet. Rockig, zuweilen balladenhaft, nicht selten von rätselhafter Metaphorik durchdrungen. Maika (als Band) beherrscht die hohe Kunst, daraus eine eigene Aura wie keine andere zu kreieren. Man darf schon jetzt auf das kommende Album gespannt sein.
Das PENG-Festival ist ein Freiraum für Kreativität, für authentische Emotionen und natürlich Gleichberechtigung. Diese drei Musikerinnen mit ihren fabelhaften Bands gaben jede für sich der Freiheit eine eindringliche Stimme an diesem Abend.