David Friedman's Trio
Frisch und kraftvoll im Schloss Horst
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Stefan Pieper
Der Vibrafonist David Friedman gab in Trio-Besetzung ein Gastspiel auf Schloss Horst. Großartig, wie hier verschiedene Musikergeneration zum vollendeten Ganzen zusammen kamen. Auch dieser Neustart bei der Fine- Art Jazz Konzertreihe fühlte sich frisch und kraftvoll an - nach einem eben solchen Debut letzte Woche mit dem Thingvall Trio.
Es lohnt sich, vor einem Konzert in der Biografie eines Musikers gründlicher zu lesen. Vor allem bei so jemandem wie David Friedman, dem 1941 geborenen Vibrafonisten. Ja, tatsächlich ist er es, der auf Tim Buckleys legendärer Psychedelic-Folkrock-Platte „Happy Sad“, das Vibrafon spielt, im Verlauf der meist langen Stücke kommt es zu ausgiebigen Soli. Kein einziges Rocklexikon erwähnt heute diesen Umstand, aber ohne Friedmans Spiel würde die gesamte Klangwelt der Platte nicht funktionieren. Das war Jahr im 1969. 52 Jahre später, an einem Abend im Gelsenkirchener Schloss Horst ist David Friedmans Sound genauso unverkennbar - aber sein Spiel ist heute aber durch zahllose Erfahrungen und Entwicklungen noch viel universeller geworden. Beim Konzert zusammen mit Bassist Josh Ginsburg und Tilo Weber am Schlagzeug wird zudem deutlich, warum letztlich der Jazz seine Heimat wurde, denn in dieser Triobesetzung leben idealtypisch Neugier und Flexibilät. Das braucht auf Schloss Horst gar keine Lautstärke, sondern lebt von ganz viel Luftigkeit, erzeugt beim Publikum eine Aufmerksamkeit, dass man eine Nadel fallen hören würde.
Friedman und seine beiden Mitstreiter (Pianistin Clara Haberkamp war wegen Erkrankung verhindert) greifen zunächst auf Material aus ihrer letzten Platte vom „Generation Quartett“ zurück. Aber die spannendsten Momente dieses Konzertes entstehen, wo sie aus dem Rahmen der einstudierten Stücke weit heraustreten - und irgendwo ankommen, wo sie es selbst nicht vermutet haben. Damit teilen Sie eine Erfahrungskomponente mit ihrem Publikum, worauf Friedman im Verlauf des Konzertes ausdrücklich hinweist. Gerade noch flutetete die Ohrwurm-Melodie von „A Night in tunesia“ den prachtvoll illumierten Saal auf Schloss Horst. Aber dann wird eine Tonfolge heraus seziert, mit der die drei zu Neuem aufbrechen, auf dem Weg der ausgedehnten, fantasiegesättigen Improvisation und getragen vom Willen, auf der einmal erklommenen Welle weiter zu reiten. Friedmans Erfindungskraft, mit der er auf dem Vibrafon harmonische und melodische Prozesse koordiniert, ist traumwandlerisch. Oft ensteht die Dramaturgie aus ostinaten Motiven heraus - um irgendwann, nach weitschweifigen Fantasiereisen wieder ins Ursprungsthema. Das alles geht auf seine beiden Mitspieler wie ein zündender Funke über, die sich mit hohem intuitiven Gespür auf diese hohe Kunst einschwören. Vor allem Bassist Josh Ginsburg wird oft zum „Leader“ im melodischen Geschehen, derweil Schlagzeuger Thilo Weber verfeinerte Gischtnebel über den Wellen ausbreitet und manchmal auch die gesamte Essenz des vorangegangenen Stückes nochmal in einem Solo zusammenfasst.
Friedman ist ein Universalmusiker und dadurch hat er auch im Jazz exttrem viel zu sagen. Eine der komplexeren Nummern baut auf einer vertrackten Zwölftonskala auf, die durch durch „neutönerisch“ wirkt. Friedmann hat unter anderem beim Komponisten Luciano Berio studiert. Zum Jazz kam er, weil das Bedürfnis wuchs, im eigenen Spiel über den vorgegebenen komponierten Rahmen hinaus zugehen und Eigenes zu erfinden.
All dies strahlt auf Schloss Horst in hinreißenden Klangfarben und wird durch einfühlsame Blues-Nummern und lyrische Balladen zum publikumswirksamen Gesamtpaket abgerundet. Dafür werden die drei schließlich begeistert gefeiert. Veranstalter Bernd Zimmermann sagte seinem Publikum ein warmes Dankeschön dafür, dass es der Konzertreihe auch in der langen „stillen Zeit“ mit Crowdfunding und Förderverein die Stange gehalten hat. Kultur fällt nicht vom Himmel, sondern will solidarisch mitgetragen sein.