Das braucht der Jazz
Mostly other people do the Killing
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Stefan Pieper
Die anderen, die das Töten übernommen haben - dieses sarkastische Zitat verweist auf Josef Stalin – oder eben auf alle andere Diktatoren, die nie ohne ihre vorauseilenden Helfershelfer morden könnten. Irritation ist Programm beim New Yorker Quartett „Mostly other people do the Killing“ – und das setzt sich bei ihrer Musik fort – das demonstrierten die vier im Dortmunder Jazzclub Domicil.
Der Bebop revolutionierte vor mehr als einem halben Jahrhundert den Jazz, um diesen endlich zur Kunstmusik zu machen. Die heißen, schneidenden Trompetenlicks von Peter Evans scheinen diese hitzige Aufbruchsstimmung ins Jetzt zurück holen zu wollen. So wie „Mostly other people do the killing“ klingt, würde sich wohl heute diese Revolution abspielen. Dabei dreht das New Yorker Quartett den Spieß wieder um: Bei aller atemberaubenden Kunstfertigkeit, Wendigkeit, Virtuosität sind die vier in jedem Moment extrem unterhaltsam!
Ja, man muss manchmal regelrecht auflachen beim Auftritt im Dortmunder – so originell und aberwitzig prallen musikalische Geistesblitze, brillante Ideen und groteske stilistische Verknüpfungen wie in rasch geschnittenen Filmen aufeinander. Bassist Moppa Evans ist allein schon wegen seines trockenen Humors eine Show für sich. Er hat die meisten „Songs“ geschrieben, in der diese schräge Jazzband ihre siedende Mixtur aus Neobop, Freejazz, Swing, Rock, Pop und phasenweise seltsamen elektronischen Zuspielsounds ständig kurz vorm Überkochen hält. Da gellt, schneidet und rast das atemberaubende Spiel von Peter Evans auf seiner zierlichen Pocket Trumpet - oft beantwortet oder noch weiter verdichtet durch die ekstatischen Stöße von John Irabagons Tenorsax. Alldieweil Schlagzeuger Kevin Shea wie ein brodelnder Vulkan mit Patterns und Rhythmen jongliert - mal unglaublich linear, wenn er die solistischen Rasereien von Trompeter und Saxofonist Note gegen Note beantwortet. Aber auch wuchtig und eruptiv wie ein polternder Heavy-Metal-Drummer. Moppy Evans setzt derweil seinen skurillen Humor beim Beackern der Bass-Saiten unbeirrt fort. Er verschachtelt modale Läufe, sorgt für Knalleffekte, die Spaß machen. Ja, es tut sich was im Schmelztiegel New York! Der Jazz von heute braucht ein Quartett wie dieses.