"Danke, dass ihr mich aufgenommen habt!"
Murder Eyez rappte über die Wirklichkeit in Syrien
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Stefan Pieper
„Da haben sich die Tore der Hölle geöffnet und das Land ist verloren zwischen Genozid und politischen Slogans. Längst ist das Gelächter der Kinder verstummt, während das lodernde Feuer in den Alpträumen weiterbrennt. Der Duft der Pinien von Aleppo hat sich mit Leichengeruch und Pulverdampf vermischt....“ Sätze wie diese, welche Abdul Rahman alias Murder Eyez auf arabisch rappt, sind so düster wie die drastischen Bilder in seinen Videclips, welche die Realität in der mittlerweile komplett zerstörten syrischen Stadt Aleppo vorführen.
Das Umfeld auf der Festwiese hinter dem Ruhrfestspielhaus bot beim letzten Konzert im Rahmen der Reihe „Odyssee-Musik der Metropolen“ ein versöhnlicheres Ambiente. Murder Eyez begrüßte sein Publikum zu Beginn seines Auftrittes mit bewegenden Worten: „Ich danke euch, dass ihr mich und meine Landsleute in Deutschland aufnehmt.“ Seine Text- und Videobotschaften machen dem letzten Zweifler klar, warum Menschen aus nackter Verzweiflung fliehen müssen. „Ich rappe über alles, worüber Medien und Politiker nur selten reden“ betonte er, als er sein bekanntestes Stück „Sigh of Aleppo“ ansagte, bevor er zu den trockenen Beats eines DJs losrappte. Die gewisse Schroffheit arabischer Laute verstärken die eindringliche Aura seiner Performance. Hohe Imaginationskraft hat die Überlagerung der knochentrockenen Hiphop-Gooves mit ergreifenden Gesangslinien einer traditionellen arabischen Musik, die als Intro eingespielt wird. Man erfasst aber hier in dieser gechillten Sommerstimmung auf der Festwiese hinter dem Ruhrfestspielhaus nur einen Bruchteil jener Botschaft, die Murder Eyez mit so viel Aktualität und menschlicher Empfindung jenseits des immergleichen Politiker- und Nachrichtensingsangs auflädt. Aber vielleicht muss man dafür die Komfortzone dieses gemütlichen Sommer-Open-Airs hinter sich lassen, sich mit den Texten auseinandersetzen und die drastischen Videos auf sich wirken lassen.
Murder Eyez machte den Hiphop in seiner Heimatstadt Aleppo groß, als diese noch eine blühende Metropole mit lebendiger Musikszene war. Der Krieg hat ihn und seine Familie aus dem Land vertrieben. Ein Zwischenaufenthalt in Rostock wurde für ihn nach eigenem Bekunden zur deprimierenden, einsamen Erfahrung. Zuviel latent fremdenfeindliches Klima umgab den gelernten Computeringenier der heute Profimusiker ist. Da ist seine heutige Heimat Köln mit seiner weltoffenen, Kulturen und Stilgrenzen überschreitenden Szene doch eine viel bessere Heimat. Aus Köln waren auch die Local Ambassadors nach Recklinghausen angereist. Das ist eine bunte afro-deutsche Truppe, die sich einem lebensfrohen Global-Pop verschreibt. Und diese Band hat genug Potenzial, dass sie sich auch gerne mal selbstbewusster zu den „echten“ afrikanischen Wurzeln bekennen könnten und sich nicht so sehr hinter verwestlichten Pop-Elementen zu verstecken brauchen. Genug vibrierender Groove entstand dennoch, nachdem die Truppe sich erstmal warm gespielt hatte und schließlich auch die arabischen Rap-Einlagen von Murder Eyez mit einbezog - was für symbolträchtige, kulturenübergreifende Dynamik sorgte.