Cologne Jazzweek Doppelkonzert
Melissa Aldana Quartet & Heidi Bayer KORSH
TEXT: Uwe Bräutigam | FOTO: Uwe Bräutigam
Nach 25 Jahren gibt es wieder ein großes Festival in Köln, die Cologne Jazzweek vom 28.8. bis 4.9. Das Programm stellt die Kölner Szene dar, aber auch deutsch und internationale Musiker*innen gehören dazu. Alle Spielarten des Jazz sollen Raum bekommen. Die Spielstätten sind über die ganze Stadt verteilt, neben dem Stadtgarten und dem LOFT gibt es über 40 Konzerte im King Georg, dem Heimathirsch, Alte Feuerwache, Altes Pfandhaus, Artheater und weiteren Orten.
Am 30.8. gab es ein Doppelkonzert im Kölner Stadtgarten. Es spielten die in New York lebende chilenische Tenorsaxophonistin Melissa Aldana mit ihrem Quartett und die Trompeterin und Flügelhornistin Heidi Bayer aus Köln mit ihrer Band KORSH. Möglicherweise trage ich mit dem Bericht Eulen nach Athen, denn der Konzertabend wurde von WDR 3 in der Reihe In Concert live aus dem Stadtgarten übertragen. Aber vielleicht hatten einige nicht die Gelegenheit das Konzert zu hören.
Wenn an einem Abend zwei Konzerte stattfinden, drängen sich Vergleiche auf.
Vielleicht erst einmal die Gemeinsamkeiten. Beide Bands werden von hervorragenden Musiker*innen geleitet und sind mit ebenso guten Musiker*innen besetzt. Beide Leiterinnen sind Bläser*innen. Beide Bands kommen aus einer Jazz Metropole, New York und Köln. Und beide Bands sind ohne Klavier, dafür hat Melissa einen Gitarristen und Heidi einen Akkordeonisten in ihrem Ensemble.
Das Melissa Aldana Quartet ist schon seit länger Zeit als Working Band unterwegs und hat auch schon Alben veröffentlicht, während Heidi Bayer mit KORSH im Stadtgarten eine Live Premiere hat.
Musikalisch gehen die beiden Musiker*nnen unterschiedliche Wege. Melissa Aldana ist fest in der amerikanischen Jazztradition verankert. Sonny Rollins ist für die Saxophonistin ein wichtiger Bezugspunkt. Melissa hat einen kräftigen Sound, mit langen wuchtigen Soli, aber sie kann auch kurze schnelle Linien einsetzen und feinsinnig spielen. Sie ist eine Musikerin, die die große Tradition des American Jazz weiterführt und nicht bei irgendwelchen Stereotypen stehen bleibt. Alle Stücke im Konzert waren Eigenkompositionen von Melissa. Neben der amerikanischen Jazztradition ist sie offen ist für unterschiedliche Einflüsse, auch aus anderen Kulturen. Eine Besonderheit ihres Quartetts ist die Besetzung mit der Gitarre, die der norwegische Gitarrist Lage Lund spielt. So ergibt sich eine Besetzung mit zwei Solo Instrumenten. In Melissas Quartett gibt es einen Wechsel vom Quartett zum Trio. Wenn Melissa spielt wird sie von Bass Schlagzeug und Gitarre unterstützt, wenn Lage Lund Solo spielt, wird er von Bass und Schlagzeug getragen und Melissa zieht sich zurück. Dies führt zu einer reizvollen Abwechslung. Eigentlich erlebt man zwei Konzert, das Melissa Aldana Quartet und das “Lage Lund Trio“. Wobei das erstere die größeren Konzertanteile hat. Die kraftvollen Saxophon Soli, werden wunderbar von Pablo Menares am Bass, Kush Abadey am Schlagzeug und nicht zuletzt von Lage Lund an der Gitarre begleitet. Alle Bandmitglieder leisten ihren eigenen Beitrag zum Sound. Am Beispiel des Stücks Acceptance aus dem Album Visions (2019) wird dies sehr deutlich. Ein spannendes langes Basssolo von Pablo Menares leitet das Stück ein, langsam kommt Lage Lund mit seiner Gitarre hinzu und sehr feinfühlig setzt Kush Abadey mit dem Schlagzeug Akzente. Dann setzt Melissa ein und spielt ein feines Solo über diesen Klangteppich. Solche einfühlsamen und gleichzeitig kraftvollen Momente gibt es viele im Konzert des Melissa Aldana Quartet.
Das Konzert von Heidi Bayer s Band KORSH unterscheidet sich deutlich von der Musik Melissas. Nur die hohe Qualität ist beiden Konzerten gemeinsam. Heidi Bayer ist wesentlich experimenteller und mit ihrem Sound auch europäischer. Eigentlich sollte KORSH schon vor einem Jahr auftreten, aber aus bekannten Gründen war das nicht möglich. Heidi suchte vor einem Jahr einen Akkordeonisten, der mit dem Instrument neue Wege, jenseits der Volksmusik geht. Bei ihrer Suche stieß sie auf die Tokyo Sessions von Avantgarde Klangkünstler Jim O`Rourke auf denen Kalle Moberg Akkordeon spielt. Sie nahm mit ihm Kontakt auf und der Akkordeonist war sofort bereit mit Heidi zusammen zuspielen. Die gleiche Bereitschaft zum Mitzuspielen fand sie bei dem Berliner Schlagzeuger Oli Steidle, beim Kölner Bassisten Robert Landfermann und dem Saxophonisten und Klarinettisten Sven Decker . Die Besetzung der Band mit diesen Musikern gibt schon einen Hinweis auf die Musik. Oli Steidle hat u.a. mit Avantgarde Musikern wie Rudi Mahall und Alexander von Schlippenbach zusammengearbeitet, Robert Landfermann kommt aus dem Kläng Kollektiv und arbeitet mit vielen experimentellen Musiker*innen, Sven Decker ist u.a. Mitglied in Jan Klares The Dorf.
Das ist nicht die Besetzung für eine Band mit Schwerpunkt Hardbop. Aber Heidi Bayer spielt auch keinen Freejazz oder völlig frei improvisierte Musik. Form, Struktur und melodische Anteile sind ebenso wichtig wie freie Improvisation und Experimentelles. Auch rockige Passagen wie in Trying to relax not haben ihren Platz, mit schnellen kräftigen Tenorsaxophonphrasen von Sven Decker . Aber es bleibt keine Musik zum Mitwippen, es kommen immer kreative Brüche, die die Musik nicht vorhersehbar und spannend machen.
Heidi Bayer verarbeitet in ihren Kompositionen persönliche Erlebnisse und Alltagserfahrungen, mal geht es um leckere Eiscreme und mal geht es um die Halle der Bierkönigin. Die Geschichten dahinter möchte sie während einer Radioübertragung nicht mit dem Publikum teilen. Kalle Moberg zeigt, dass mehr in einem Akkordeon steckt, als landläufig vermutet wird. So erzeugt er z.B. lange tiefe Klänge, die an Synthesizer Klänge der Gruppe Faust erinnern. Heidi Bayer spielt nicht nur eindrückliche Trompetensoli, sondern bedient ebenso gekonnt das Flügelhorn. Auch Sven Decker spielt nicht nur Tenorsaxophon, sondern auch Bassklarinette. Robert Landfermann und Oli Steidle bilden eine solide Rhythmusgruppe, aber sie setzen auch eigene Impulse.
Ein gelungenes Debütkonzert von KORSH. Der Bandname setzt sich aus den Anfangsbuchstaben aller Bandmitglieder zusammen und steht für gemeinsame Interaktion aller Musiker*innen auf Augenhöhe. KORSH, ein spannendes Projekt, das Heidi Bayer initiiert hat. Alle Stücke des Abends stammen aus ihrer Feder.
Weitere Infos zur Cologne Jazzweek: www.jazzstadt.de