Cologne Jazzweek

Anthony Braxton Lorrain Trio

Anthony Braxton ist eine lebende Legende. 1945 in Chicago geboren gründete er 1968 seine erste eigene Band. Er hat den Jazz der letzten 50 Jahre mitgeprägt wie kaum ein anderer Musiker. Braxton war immer beeindruckt von der europäischen Neuen Musik und wurde durch Karlheinz Stockhausen, Yannis Xenakis und Edgar Varése beeinflusst. Er ist immer ein Musiker geblieben, der neugierig ist und neue Impulse aufnimmt. Auf Cologne Jazzweek spielt er mit seinem Lorraine Trio. An seiner Seite war die Trompeterin Susana Santos Silva, eine der profiliertesten Stimmen in der aktuellen improvisierten Musik. Adam Matlock am Akkordeon komplettiert das Trio. Aber das Anthony Braxton Lorraine Trio ist tatsachlich eine Art Quartett, ein analog-digitales Quartett. Zu den analogen Instrumenten kommt die Programmiersprache Super Collider für Echtzeit Klangsynthese und algorithmische Komposition hinzu, dies eröffnet den Musikern neue Formen der kreativen Kommunikation, so heißt es.

Was das Publikum im WDR Sendesaal erlebte war ein spannender Dialog zwischen der Trompeterin Susana Santos Silva und dem Altmeister Braxton. In diesen Dialog gab sich Adam Matlock mit seinem Akkordeon ein und zeitweise auch mit seiner Stimme. Braxton spielte Altsaxophon und Sopransaxophon. Zwischendurch spielte er einige kleinere Soli, aber besonders beeindruckend war das Zusammenspiel mit der herausragenden Tromperin Susana Santos Silva, die einen sehr pointierten Ton auf der Trompete spielte. Anthony Braxton zu erleben war sicher etwas Besonderes, aber auch Susana Santos Silva war musikalisch Spitzenklasse.

Bassmasse feat. Dieter Manderscheid

Nach der Avantgarde in kleiner Besetzung folgte wuchtiger kreativer Jazz mit großer Besetzung. Bassmasse ist ein Projekt des Kölner Komponisten und Bassisten Sebastian Gramss. Diesmal stehen 20 Kölner Bassisten auf der Bühne, das who is who der Kölner Szene und Dieter Manderscheid spielt als Solist.

Dieter Manderscheid , war Professor an der Kölner Musikhochschule und Leiter der Jazzabteilung. Er wurde von Janning Trumann , dem künstlerischen Geschäftsführer der Cologne Jazzweek, für seine Verdienste um den Jazz in Köln besonders geehrt. Manderscheid hat als Hochschullehrer fast alle anwesenden Bassisten im Laufe der Jahrzehnte ausgebildet und er war Mitinitiator der Kölner Jazzkonferenz als Interessenvertretung der Jazzmusiker*innen in der Domstadt. Janning Trumann nannte ihn einen der drei heiligen Könige des Kölner Jazz, neben Hans Martin Müller (Loft) und Rainer Michalke (Stadtgarten).

Es vollzieht sich gerade ein Generationswechsel in Köln. Alle drei Persönlichkeiten ziehen sich nach jahrzehntelanger Arbeit für den Jazz zurück. Rainer Michalke hat die künstlerische Leitung des Stadtgartens an Kornelia Vossebein abgegeben, Hans Martin Müller hat die Leitung im Loft an seinen Sohn Benedikt weitergegeben und Dieter Manderscheid ist nun in den Ruhestand getreten. Sein Nachfolger als Professor für Kontrabass ist sein Schüler Robert Landfermann . Aber wie bei vielen Künstlern bedeutet der Ruhestand nicht, dass Dieter Manderscheid sich aus der Jazzszene völlig zurückzieht.

Als Solist spielte er sein Instrument, den Kontrabass, vor dem Hintergrund von zwanzig Bassist*innen. Nur eine Bassistin war in dieser männlichen Dominanz dabei, Svenja Doeinck. Auch sie ist nicht nur musikalisch in unterschiedlichen Formationen aktiv, sondern auch in verschiedenen Funktionen für den Kölner Jazz aktiv.

Dieter Manderscheid eröffnete sein Spiel mit elegischen Tönen, die er mit dem Bogen strich und die Bassmasse sorgt für den Rhythmus. Die Bassmasse teilte sich oft in zwei Hälften, die unterschiedliche Funktionen übernahm. Sebastian Gramss hat die Musik für das Konzert komponiert und arrangiert. Und zeigte dabei wieder seine herausragenden Fähigkeiten (nicht nur) mit Großformationen zu arbeiten.

Später kamen noch zwei Holzbläser als Solisten hinzu, Frank Gratkowski und Wollie Kaiser, die Bassklarinette, Saxophon und Querflöte spielten.

Dann zogen sich die meisten Bassist*innen zurück und Robert Landfermann , Joscha Oetz , Sebastian Gramms und Dieter Manderscheid spielten im Quartett. Anschließen ging es in voller Besetzung weiter, mit der Bassmasse, Frank Gratkowski, Wollie Kaiser und Dieter Manderscheid . Ein großartiges Konzert, der Tieftöner. Manchmal wuchtig und wild, aber auch immer wieder subtil. Gramss brachte es fertig, diese Masse an Kontrabässen und die Holzbläser so zu arrangieren, dass spannende Musik entstand.

So erlebte das Publikum im nahezu ausverkauften großen Sendesaal des WDR im Rahmen der Cologne Jazzweek hervorragende kreative Gegenwartsmusik, sowohl von internationalen Stars als auch von den Musiker*innen der lokalen Szene. Die Musik hatte Bezug zum Jazz, ließ sich aber nicht in enge Genreschubladen pressen.

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