CHRIS HOPKINS MEETS The YOUNG LIONS
"Den Stab weitergeben.."
TEXT: Heinz Schlinkert | FOTO: Reiner Skubowius
Proppevoll war der Bochumer Kulturrat am 8. Januar und zwar bei beiden Konzerten am Vor- und am Nachmittag. Ein guter Beginn für das neue Jahr, aber auch ein schöner Einstieg für die YOUNG LIONS, mit denen Chris Hopkins zum ersten Mal auftrat.
- 35 Jahre Bochumer Kulturrat
Der Bochumer Kulturrat wird in diesem Jahr 35 Jahre alt, hier ist schon sehr viel kulturelle Arbeit geleistet worden. Eine wichtige Aufgabe war schon immer die Nachwuchsförderung, zuletzt mit „Latente Talente". Diesmal übernimmt
Chris Hopkins
selbst mit seiner jungen Band diese Aufgabe.
Das Jazz-Publikum des Kulturrats ist in vieler Hinsicht nah dran an den Musikern, deshalb spricht Chris von einer ‚Wohnzimmer-Atmosphäre‘. Sein Piano steht ganz vorne schräg am Rand der Bühne, sehr nah am Publikum, das er direkt anspricht. Die Zuhörer belohnen die Musiker mit Applaus nach fast jedem Solo. Aber die Dauer und Intensität des Beifalls nach einem Stück lässt auch erkennen, wieviel Anerkennung es erhalten hat.
- Solider Swing
Unter dem Motto Swinging into the New Year präsentiert Chris mit seinen ‚jungen Löwen‘ 17 Stücke in verschiedenen Formationen. Quintett, Quartett, Trio, Duo - alles ist drin und wird von Chris weidlich genutzt.
Mit Blue Skies geht es los und alle Musiker stellen sich dabei mit einem Solo vor. Interessant sind auch die Ansagen der jungen Musiker, in denen sie oft ihre persönlichen Bezüge zu einem Stück erläutern. Tijn Trommelen ist Niederländer und hat Until The Real Thing Comes Along ausgesucht, weil er es in der Fassung mit dem Gitarristen Kenny Burrell sehr mag; er selbst singt dazu und spielt es “in his style with my personal contribution”. Viel Applaus!
So viele Stücke, die man hier gar nicht alle nennen kann. Embraceable You im Duo mit Piano und Trompete; The best things in life are free im Trio (vgl Video oben); It’s only a Papermoon mit einem fast fünfminütigen Bass Intro/Solo von Caris Hermes im Quartett mit Thimo Niesterok und Tijn Trommelen. Einer der Höhepunkte, Riesenapplaus! Aber der Meister selbst muss auch mal wieder an die Schüppe mit einem vielschichtigen voll improvisierten Klavier Feature.
- „Den Stab weitergeben ..“
Chris erzählt, dass er früher unter Kollegen immer der Jüngste war und viel von den Älteren gelernt hat. Ein Grund mehr nun Jive at Five von Harry Edison zu spielen. Chris hatte vor langer Zeit Edison, den Trompeter des Count Basie Orchestra, bei einem Konzert des Orchesters kennen gelernt.
Inzwischen hat Chris seinen 50. Geburtstag mit dem FunTastenFest gefeiert. Heute hat er die Rolle des väterlichen Freunds und Förderers, "Den Stab weitergeben ..“ nennt er das. Er hat die jungen Musiker in seiner beruflichen Laufbahn, besonders bei seiner Lehrtätigkeit als Dozent an der Kölner Musikhochschule, kennengelernt und gibt ihnen mit diesen Auftritten die Möglichkeit vor einem größeren Publikum und in einer einwöchigen Konzertreihe aufzutreten. Zum Auftritt gehören auch die Ansagen, die Beobachtung des Publikums, der Umgang mit Lampenfieber und das möglichst sichere Auftreten auf der Bühne. Denn auch all das hat Auswirkungen auf die Spielweise und macht Professionalität aus.
- Die Young Lions
Doch die ‚jungen Löwen‘ sind keine unbeschriebenen Blätter. Sie heißen Thimo Niesterok (Trompete), Tijn Trommelen (Gitarre, Gesang), Caris Hermes (Bass) und Mathieu Clement (Drums, Vibrafon). In einem Interview mit Chris Hopkins wurden sie vor kurzem bei nrwjazz vorgestellt. Erstaunlich doch auch erfreulich, dass sich so junge Leute für so ‚alte‘ Musik interessieren. Obwohl sie teilweise noch sehr jugendlich wirken, haben alle ihre eigene Homepage und Alben veröffentlicht. Mathieu Clement beeindruckt durch seine instrumentelle Vielseitigkeit, aber auch durch seine recht ’sparsame’, aber akzentuierte Begleitung, die in keiner Weise an das Imponiergehabe mancher Drummer erinnert. Die Bassistin Caris Hermes hat in ihrem Trio schon mit Billy Test und Niklas Walter zusammengespielt, ihre melodischen Basslinien durchdringen den ganzen Raum. Bei I’m confessin’ that I love you agiert sie im Call-Response-Modus hervorragend mit dem Drummer. Thimo Niesterok bringt sich mit seiner Trompete voll ein, anfangs mit harten Tönen, dann zunehmend melodischer und weicher, manchmal auch mit Dämpfern. Er spielt bei den meisten Stücken mit und ist immer wieder mit Soli zu hören. Der Gitarrist Tijn Trommelen ist geradezu eine Entdeckung, auch wegen des Gesangs mit seiner recht tiefen Stimme, die an Bing Crosby erinnert.
- Anderer Sound im 2. Set
Nach der Pause ändert sich der Sound, vor allem weil das Vibrafon des Drummers zum Einsatz kommt. Mit einem eindrucksvollen Vibes-Solo zu Bag's Groove von Milt Jackson beweist Mathieu Clement seine Vielseitigkeit. Wenn dann bei Jive at Five und Stardust Chris das Piano gegen das AltSax tauscht, scheint die Band plötzlich eine ganz andere zu sein. Bei weiteren Standards wie Night and Day und The lady is a Tramp kehrt die Band wieder zur ursprünglichen Konstellation zurück, überwältigender Applaus. Dann die Zugabe: Sunny Side of the Street.
Doch die Sonne ist inzwischen untergegangen. Ein erfolgreicher Tag im Kulturrat!
Wenn Chris ‚den Stab weitergibt‘, so hoffen wir doch, dass er ihn nicht ganz abgibt. Seine einwöchige Tournee durch NRW sieht jedenfalls noch zwei Konzerte vor:
Sa, 14. Jan. 23, 20 Uhr in Rheinberg / To Hoop
und am So, 15. Jan. 23, 16:45 Uhr in Essen / Residenz Augustinum
Und auch danach gehts natürlich weiter, wie man einer Vorankündigung entnehmen kann.
homepages der Musiker:
https://hopkinsjazz.com/de/
https://www.tijntrommelen.com/
https://www.mathieuclement.net/
https://www.carishermes.de/
http://thimo-niesterok.de/