Chris Hopkins' FunTastenFest
4 Pianisten aus 4 Ländern an 2 Flügeln
TEXT: Heinz Schlinkert | FOTO: Reinhold Krossa
Am 13. November feierte Chris Hopkins zu seinem 50. Geburtstag ein 'FunTastenFest' im Anneliese Brost Musikforum Ruhr in Bochum. Er hatte zum 'Stride & Swing Piano Summit' mit 4 Pianisten an 2 Flügeln' gerufen. Es kamen drei befreundete Pianisten aus dem europäischen Ausland und an die 1000 Zuschauer.
'FunTastenFest' – auf dieses Wort muss man erstmal kommen. Vielleicht wird es ja mal ein feststehender Begriff, denn Fun gab es jede Menge, dazu 2 x 88 Tasten und vier 'FunTastische' Musiker auf der Bühne.
- Chris lädt ein und alle kommen
Das Anneliese Brost Musikforum Ruhr ist ausverkauft. Kein Wunder, denn wenn
Chris Hopkins
im Sommer bei 'Kemnade Swing Nights' an zwei aufeinander folgenden Abenden problemlos die Scheune füllt, kann er auch locker das Musikforum buchen. Chris ist eine Institution in Bochum und hat seine eigene Fangemeinde.
Doch bekannt ist er in Jazzkreisen in der ganzen Welt und so war es ihm auch ein leichtes, bekannte Pianisten aus anderen Ländern zu seinem 'Tastenfest' einzuladen: Dado Moroni aus Italien, Louis Mazetier aus Frankreich und Martin Litton aus Großbritannien.
Der 50. Geburtstag war schon im April. Chris hatte das Fest schon länger geplant, musste es aber wegen Corona verschieben und ist dann ab Sommer voll in die Planung eingestiegen.
Zwei Flügel stehen auf der Bühne im Winkel zueinander positioniert. 'Flügel' nennt man sie wegen der Form, die – im Gegensatz zum regulären Piano – der eines Flügels ähnelt. Der Deckel des linken ist aufgeklappt, um den Schall auch in den Sall austreten zu lassen, der andere aus demselben Grund demontiert. Der Flügel rechts ist etwas älter und hat eine interessante Klangfarbe. So wird der Kontrast zwischen den beiden Pianisten in den Duos deutlicher, erklärt mir Chris später.
- 4 Pianisten - 1 Quartett, 6 Duos, 4 Soli
Doch 4 Pianisten und zwei Flügel, wie soll das gehen? Je zwei Musiker vierhändig als Quartett ist kein Problem, Soli gehen immer und es bleiben 6 mögliche Kombinationen mit je zwei Pianisten. Und so ist das Fest auch strukturiert, in wechselnden Konstellationen mit einer Vielzahl von Stücken.
Zunächst treten alle vier Pianisten auf die Bühne und spielen im Quartett I Got Rhythm im Medium-Tempo. Das hat in mehrerer Hinsicht Symbolcharakter, denn natürlich geht es bei dem Konzert um vor allem um 'Rhythm'. Und George Gershwin ist als Komponist dieses Stücks und vieler anderer Standards aus dem „Great American Song Book“ ein wichtiger Name. Außerdem sind die Akkorde des Stücks, die nach ihm benannten Rhythm Changes, auch jazzhistorisch relevant, weil darauf viele andere Stücke, z. B. von Duke Ellington, Dizzy Gillespie und Thelonious Monk, basieren.
Bei der Planung des Konzerts gab es einen Pool von Titeln, der dann für die Probe am Nachmittag auf ein konkretes Repertoire beschränkt wurde. Die Duos sind alle komplett improvisiert. Stilistisch geht es vor allem um das "Harlem Stride Piano“, Chris hat uns das in einem Interview schon einmal genau erklärt.
Und so hören wir eine wahre Flut von Soli und Duetten in immer wieder anderen Konstellationen. Es ist immer wieder beeindruckend, wie dabei die linke Hand des Pianisten, z. B. von Martin Litton, welche in Settings mit Kontrabass meist oft nur in der Mitte der Klaviatur begleitet, im 'Stride' weite Sprünge vom Bass zu den Akkorden vollführt. Dado Moroni schlägt einmal die Saiten an wie bei einer Gitarre und spielt mit der anderen auf den Tasten. What's that thing called Love spielt Chris mit Louis Mazetier, doch es ist unmöglich alle Titel hier auch nur zu nennen. Louis Mazetier überzeugt besonders durch sein Spiel mit der linken Hand, sein Solo-Set mit einer Eigenkomposition ist sehr beeindruckend. Dado Moronis Solo über Body&Soul gefällt mir besonders gut, in dem er mit viel Verve dieses bekannte Stück geradezu zelebriert, das ursprünglich durch den Saxofonisten Coleman Hawkins bekannt geworden ist.
- Chris kommentiert und moderiert
Immer wieder ergreift Chris das Mikro und erzählt, kommentiert, ironisiert in seiner burschikos-launigen Art das Geschehen. „Das war gar nicht schlecht“ bemerkt er zu einem Solo Moronis. Und die Musiker hätten keine Noten, weil sie die nicht lesen könnten, außerdem würde es viel zu lange dauern alles aufzuschreiben, was heute Abend gespielt wird – auch ein Hinweis darauf, dass Improvisation groß geschrieben wird. Wir sind ja im Jazz und nicht in der Klassik, die normalerweise in diesem Saal stattfindet.
Gut, dass Chris namentlich Anne und Reinhard Cebulla begrüßt, die in Bochum-Wattenscheid die 'Kunstwerkstatt am Hellweg' betreiben. Er bedankt sich dafür, dass er dort seit 15 Jahren jeweils Ende September Piano-Duette spielen kann.
- Dado Moroni, Louis Mazetier, Martin Litton
Chris Hopkins
ist mit 50 Jahren der Youngster in dem Projekt, denn die anderen sind mit 60, 62 und 65 Jahren gut 10 Jahre älter. Es sind schon ältere Herren mit z. T. sehr ähnlichem Aussehen, die da spielen. Dado Moroni zählt zu den führenden Jazz-Pianisten Italiens und ist weltweit bekannt. Sein stilistisches Spektrum ist nahezu unbegrenzt, er hat sogar mit Pop-Stars wie Eros Ramazzotti zusammen gearbeitet. Louis Mazetier ist eigentlich Arzt. Ohne klassische Vorbildung gelang es ihm einer der international bedeutendsten Interpreten des Stride Piano zu werden. Martin Litton kommt aus London und gilt als Institution des klassischen Jazz Pianos. Er ist ein begehrter Partner vieler britischer Jazzsolisten und Gruppen und hat auch amerikanische Stars wie Scott Hamilton auf ihren Europa-Tourneen begleitet.
Alle vier sind Meister ihres Fachs, jeder hat seine Qualitäten und das Piano Summit lebt gerade vom Zusammenspiel der unterschiedlichen Charaktere.
Chris Hopkins
lieben alle, das Publikum reagiert vor allem auf Dado Moroni, nicht nur wegen der auffälligen Brille, an der der man ihn leicht erkennen kann. Seine Ausstrahlung ist markant, seine Mimik zeigt ausgeprägte Spielfreude, sein Blickkontakt zeigt wie intensiv er kommuniziert und das Publikum reagiert mit viel Beifall.
Das Konzert geht dem Ende zu und nun brilliert Chris Hopkins mit drei Solo-Improvisationen zu The Clothed Woman (Duke Ellington), Over the Rainbow und Eye Opener. Martin Litton liefert eine Art Medley, in dem er mehrere Stücke miteinander verwebt und soliert eindrucksvoll über "You're Blasé", angelehnt an Art Tatum, mit den impressionistisch-romantischen Harmonien. Nächster Höhepunkt ist Volare, natürlich mit Moroni, denn italienischer als dieses Stück, das eigentlich Nel blu dipinto di blu (Domenico Modugno1958) heißt, gehts kaum. Das Publikum klatscht begeistert mit.
- grandioses Finale
Beim Finale spielt das Quartett wieder I Got Rhythm. Wie beim Tischtennis-Rundlauf wechseln die Musiker ihre Plätze, wie das Video oben zeigt. Da müssen sie sich ganz schön beeilen, denn diesmal wird das Stück im Up-Tempo gespielt. Noch eine Zugabe, lang anhaltender Beifall und dann ist dieses 'funTastische' Konzert vorbei.
Insgesamt mehr als drei Stunden hat dieses Konzert-Fest gedauert, das man nicht so schnell vergessen wird. Wegen des großen Erfolgs wird schon überlegt, es zu wiederholen.
nächste Konzerte:
Mi 7. Dez. 2022 KEMPEN / Die Haltestelle
Fr 9. Dez. 2022 ARNSBERG / KulturSchmiede
Sa 10. Dez. 2022 GELSENKIRCHEN / Schloss Horst
So 11. Dez. 2022 ESSEN / Bürgermeisterhaus
Do 29. Dez. 2022 Essen Grillo-Theater: >Truman Capote: Frühstück bei Tiffany<
Konzert und Lesung mit
Chris Hopkins
, Thilo Wagner und Burgtheater-Schauspieler Markus Meyer
mehr Infos unter https://hopkinsjazz.com