Chicago Powerjazzband Ballister in Bonn
Klanggewitter und lyrisches Spiel
TEXT: Uwe Bräutigam | FOTO: Uwe Bräutigam
Für Freunde der improvisierten Musik und des Free Jazz ist die Band Ballister aus Chicago ein fester Begriff für Powerjazz auf höchsten Niveau. Die Bonner In Situ Art Society holte Ballister, die auf Europatournee sind, für ein Konzert in den Dialograum Kreuzung An Sankt Helena. Über 80 Leute besuchten an einem Dienstag das Konzert.
Ballister, das sind Dave Rempis, USA (Alt-undTenorsaxophon), Fred Lonberg-Holm, USA (Cello, Elektronik) und Paal Nilssen-Love, Norwegen (Schlagzeug). Die drei gehören zu den herausragenden Musikern der kreativen Jazz- und Improvisationsszene in Chicago und Oslo. Fred Lonberg-Holm und Paal Nilssen-Love haben mit Peter Brötzmann im Chicago Tentet gespielt. Paal geht nach der Ballister Tour mit Brötzmann im Duo auf Tour nach Asien. Alle drei spielen mit Ken Vandermark in verschiedenen Gruppen und konzertieren mit vielen bekannten Musikern.
Seit 2009 spielen die drei Musiker in der Band Ballister zusammen und obwohl sie alle noch in anderen Bands aktiv sind, haben sie seit Gründung bereits sechs CDs herausgebracht.
Der Saal in Bonn ist gut gefüllt, viele Gesichter kennt man aus Loft und Stadtgarten.
Die Musiker betreten die Bühne, nehmen ihre Instrumente und dann fegt ein Klangsturm durch den Raum. Saxophon, Schlagzeug spielen wild los und das Cello hört sich eher nach einer verzerrten E-Gitarre an, als nach einem orchestralen Instrument. Der Level wird eine Zeit gehalten, dann wird Lautstärke und Tempo zurückgenommen und Cello und Altsaxophon gehen in einen Dialog mit lyrischen Linien, die immer wieder gebrochen werden. Dave Rempis spielt flirrende Saxlinien und langsam kommt Paal Nilssen-Love mit den Besen wieder dazu. Fred Lonberg-Holm spielt nun mit dem Bogen auf dem Cello und das Instrument klingt jetzt auch wie ein Cello, kleine melodische Elemente blitzen auf. Das ist die Ruhe vor dem Sturm. Es folgt ein langes Cellosolo, mit allen Finessen der elektronischen Klangbearbeitung, Kratzen, Schaben, Quietschen, Knarren, Knistern und viele weitere Klänge holt Fred aus dem Cello heraus. An das Cellosolo schließt sich ein gemeinsames Spiel des Trios an, dass in ein wahres Klanggewitter übergeht.
Dave wechselt jetzt vom Alt- zum Tenorsaxophon und es entwickelt sich schönes Saxophon-Cello Duett.
Dave spielt kurze Phrasen, produziert Klackgeräusche und Paal setzt am Schlagzeug kleine Becken, Klangholz und Glöckchen ein. Fred weitet sein Cellospiel aus und geht wieder in ein langes Solo über mit elektronischen Verfremdungen und Loops.
Die Musik ist ungemein vielfältig und abwechslungsreich. Bei aller spontanen freien Improvisation sind die Musiker so eingespielt, dass sie nicht nur aufeinander hören, sondern sie scheinen ihre nächsten Schritte vorauszuahnen. Sie ziehen sich im richtigen Moment zurück und überlassen den anderen den Raum und sie setzen wieder ein, wenn es sinnvoll ist.
Alle drei Musiker besitzen eine traumwandlerische Improvisationsfähigkeit, die mit voller Wucht, wie eine Hardcore Punkband herausbrechen kann, aber sich auch voller Poesie in wunderschönen Duetten ausdrücken kann.
Auch im zweiten Set gibt es diese beiden Pole, einerseits lyrisches Zusammenspiel von Altsaxophon und Cello, und andererseits ein Trashgewitter aller Musiker.
Die Musik hat eine enorme Dichte und eine große Folgerichtigkeit, die aber alles andere als vorhersagbar ist. Das Konzert von Ballister ist voller Überraschungen und unerwarteter Wendungen. Musik für ein waches und furchtloses Publikum. Ganz großes Kino.
Der Verein IN SITU ART SOCIETY veranstaltet in Bonn regelmäßig zweimal im Monat Konzerte mit kreativer aktueller Musik und organisiert Kunstausstellungen.
http://daverempis.com/ballister/