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Chargesheimer fotografiert Jazz in Köln 1950-1970

Ausstellung und Buch

Köln, 06.09.2022
TEXT: Heinrich Brinkmöller-Becker, Heinz Schlinkert | FOTO: Heinz Schlinkert

'Chargesheimer fotografiert Jazz' heißt eine Ausstellung im Rheinischen Bildarchiv in Köln, die am 4. September zu Ende gegangen ist. Wir hatten bereits in einer News darüber berichtet. Ich habe an der letzten Führung der Kuratorin Evelyn Bertram-Neunzig teilgenommen und viel Neues erfahren. Ein großer Teil der Fotos ist auch in einem Bildband zu sehen, den sich Jazz-Fotograf und NRWJazz-Redakteur Heinrich Brinkmöller-Becker näher angesehen hat.

DIE AUSSTELLUNG

Evelyn Bertram-Neunzig stellte sich schon vor 3 Jahren der Sisyphus-Aufgabe, Kartons mit 40.000 Fotos und Negativen zu sichten und eine Auswahl für eine Ausstellung und für ein Buch zusammenzustellen. Das war nicht immer einfach, wie sie nach der Führung berichtet, denn eine erste Produktion wurde wegen Sicherheitsmängeln der Location abgesagt. Für den neuen Ausstellungsort im Rheinischen Bildarchiv musste die Ausstellung ganz neu konzipiert werden.
Die Führung beginnt vor einer Stellwand (s. o.) mit einem Selbstporträt des Kölner Fotografen Chargesheimer, der zwischen 1950 und 1970 in Kölner Jazzkonzerten berühmte Musiker fotografierte. Frau Bertram-Neunzig beschreibt Lebensgeschichte und Bedeutung des Fotografen und den Planungsprozess der Ausstellung. Demnach war es bei der ersten Sichtung des Materials oft schwer herauszufinden, wer auf den Fotos abgebildet war und wo das Foto aufgenommen wurde, auch weil der Hintergrund oft abgedunkelt war. 'Negerband' stand auf einer Hülle, aber das war damals normaler Sprachgebrauch.

Zu sehen sind Fotos von Josephine Baker, Ella Fitzgerald, Louis Armstrong, Woody Herman, Atilla Zoller, Jutta Hipp, Lee Konitz, Billie Holiday, Chet Baker, Duke Ellington und vielen anderen. Eine besondere Rolle spielt die KENNY CLARKE-FRANCY BOLAND BIGBAND in Zusammenhang mit Kurt Edelhagen und Gigi Campi, der diese Band produziert hat. Die Fotos der Campi- Eisdiele beeindrucken mich besonders. Da stehen berühmte Musiker vor der Theke, denn in der Eisdiele fanden auch Konzerte statt. Heute ist das 'campi im Funkhaus' als italienisches Restaurant beim WDR untergebracht.

In der Ausstellung sind auch Originalabzüge des Fotografen zu sehen, diese Vintage Prints lagern normalerweise im Kölner Museum Ludwig. In einer Vitrine liegen Gegenstände aus: ein LP-Schuber, eine Rollei-Kamera, ein typischer Schallplattenspieler, Eintrittskarten und Plakate (s. Fotos).

Frau Bertram-Neunzig erklärt am Beispiel eines Fotos von Billie Holiday, wie Chargesheimer auf der Grundlage von drei Fotos ein neues entwickelt hat. Sie erläutert auch seine Bearbeitungstechnik bei aufwendigen Montagen, die mit heutigen Mitteln viel einfacher zu machen wären. Chargesheimers Doppelfoto-Montage von Fitzgerald und Armstrong hat sie allerdings selbst 'auf den Kopf gestellt' (s. oben links) - Ladies first!

Außerdem erfährt man interessante zeitgeschichtliche Zusammenhänge. Fotos, die im Studio aufgenommen wurden, bilden auch die damalige Aufnahmetechnik ab. Zu Fotos von einer Aufnahme im Hamburger NDR-Studio wird berichtet, dass der WDR nach der Auflösung des NWDR in den 50ern noch keine eigenes Studio hatte und die Aufnahmen deshalb in Hamburg stattfanden.

DAS BUCH

Der parallel zur Ausstellung herausgegebene Katalog ist eine wahre Fundgrube. Man erfährt eine Menge über den Jazz in den Nachkriegsjahren in Köln (Texte von Evelyn Bertram-Neunzig, Robert von Zahn, Interview mit dem Tonmeister Wolfgang Hirschmann). Und jede Menge Fotografien belegen dies – präsentiert als Negative und Negativstreifen der Mittelformatfilme, die Chargesheimer benutzt hatte. Die Bildpositive, darauf weist der Katalog ausdrücklich hin, basieren auf digitaler Reproduktion, sie sind also in gewisser Weise eine Interpretation des Ausgangsmaterials. Was in fotoästhetischer Hinsicht eher fragwürdig ist, ist dokumentarisch nicht nur gerechtfertigt, sondern in diesem Fall ausgesprochen produktiv: Die Bilder mit den Porträts, den Konzertfotos, mit den Aufnahmestudios haben so nicht nur einen hohen dokumentarischen Wert, sondern man erhält auch interessante Aufschlüsse über die Arbeitsweise des Fotografen.
Gerade der Vergleich der Motive auf den Kontaktbögen mit der Umsetzung von Chargesheimer, mit der eigentlichen finalen Bildgestaltung im Fotolabor lässt den Schaffensprozess des Fotografen und seine ästhetische Herangehensweise nachvollziehen. So sind im Katalog einige aufschlussreiche Beispiele etwa zu Josephine Baker, Caterina Valente (als Jazzsängerin!, s. Foto u.l.), Hans Koller, Billie Holiday, Sidney Bechet zu sehen. Oder in Bildmontagen zu Ella Fitzgerald mit Louis Armstrong oder einer solchen mit Woody Herman. Oder in (foto-)graphischer Bearbeitung für Platten-Cover (Rudi Sehring, Attila Zoller, Chet Baker, Francy Boland).
All dies zeigt: Die intensive Nachbearbeitung durch den Fotografen, seine bewusst gewählten Bildausschnitte, die Nachbelichtungen, die extremen Kontraste lassen erahnen, wie Chargesheimer seine Jazzfotografien für eine von ihm verantwortete Ausstellung bearbeitet hätte, zu der es ja bedauerlicherweise nicht mehr gekommen war.
Das Verdienst des Katalogs und der Ausstellung besteht darin, nicht nur die Kultur- und Jazz-Geschichte Kölns mit dem 'Who is Who' des internationalen und lokalen Nachkriegsjazz‘ zu dokumentieren, sondern auch das Werk und die Arbeitsweise eines bedeutenden Fotografen.

AUSBLICK

Chargesheimer ist ja bisher als bedeutender Porträtist (sein Adenauer-Porträt ist ikonisch) oder mit seinen Bildbänden zu Köln und dem Ruhrgebiet berühmt, seine Facette als Jazz-Fan und Fotograf rücken Ausstellung und Bildband verdienstvoll in den Vordergrund. Der Kuratorin Evelyn Bertram-Neunzig, dem Emons-Verlag und allen Förderern und Unterstützern sei dafür ausdrücklich gedankt. Die Ausstellung hat auch international Beachtung gefunden. Es wäre schön, wenn sie in einer anderen Stadt noch einmal gezeigt werden könnte.

Chargesheimer fotografiert Jazz, Köln 1950-1970
hrsg. von Evelyn Bertram-Neunzig
Köln 2022 emons Verlag
220 Seiten, 35 Euro
ISBN: 978-3-7408-1515-8

* Die Abbildung von Fotos der Ausstellung erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Kuratorin Evelyn Bertram-Neunzig.

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