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Cello on Fire

Peter Hudler nahm diesen Titel wörtlich beim Celloherbst

Bochum, 16.12.2024
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Heinrich Brinkmöller-Becker

Der Cello-Herbst am Hellweg blickt über die Grenzen von Klassik, Jazz und anderen festgefügten Genres hinaus, um die Gegenwart der Musik und in diesem Fall auch die Gegenwart eines Instruments zu demonstrieren. Im Falle von Peter Hudler bündelt sich diese ganze Intention sogar in einem einzigen Musiker - und warum sein Programm „Cello on Fire“ heißt, bedurfte nach seinem Auftritt im Bochumer Kunstmuseum wohl keiner weiteren Erklärung mehr. Wer hier jedoch eine nur mit spektakulären Effekten protzende Crossover-Show erwartet hatte, wurde auf erfreuliche Weise „enttäuscht“ - durch nichts weniger als eine tiefgründige, fantasievolle Erkundung.

Peter Hudler, rein akustisch spielend, demonstrierte vielmehr, wie musikalische Traditionen wie bei einem fruchtbaren Baum immer weiterwuchern, sich verästeln und beständig Neues hervorbringen. Den Ursprung bildet  - natürlich - Bach. Denn jeder Cellist spielt seine Solo-Suiten, die fortan das ganze Künstler-Leben prägen. Hudler zog später zwei Suitensätze daraus heran - dazu später mehr. Zunächst gab es eine andere „Übersetzung“ eines essentiellen Stückes Musik in den Kosmos der aufregenden Gestaltungsmöglichkeiten auf dem Violoncello. Jimi Hendrix' „Little Wing“ schält sich heraus aus einem nimmt Geflecht aus Glissandi, Arpeggien, Virtuosenläufen. Peter Hudler weiß, wie er drauflos fantasiert und trotzdem die Werkidee immer im Blick behält. Manchmal erzeugt er auf der Griffhand in einer Art Finger Picking die Töne. Das nächste Stück führt auf eine lyrische, leichtfüßige, wiegenliedartige Reise, es ist eine schottische „Air“, eine Tanzform, die übrigens auch bei Bach vorkam.

Als wäre ein Orchester oder eine ganze Band auf der Bühne ...

Hudlers Tongebung hat eine gewisse Rauheit, seine offensive Bogentechnik sprüht vor Lebendigkeit, die Klangwucht seiner Sequenzierungen und Arpeggien füllen den großen Saal des Kunstmuseums, als wäre ein ganzes Orchester oder eine ganze Band am Werk. Dann endlich Bach. Und zwar gleich das Präludien aus der sechsten Suite, welches die schwierigste aus diesem ewigen Zyklus ist. Und schon arbeitet Peter Hudler sich daran ab, das „System Bach“ durch alle Zeitalter und Stilistiken auch improvisatorisch neu zu definieren. Wenn er einzelne Texturen herauslöst und weiter verdichtet, landet er oft mitten in der Rockmusik. Aber es geht auch leichtfüßiger zu im Kunstmuseum Bocchum. Nämlich, wenn er sein Instrument quer auf den Schoß nimmt und es wie eine Jazz-Gitarre spielt, zum Beispiel in einem lässigen Shuffle-Blues, den der umtriebige Niederländer Ernst Rejseger kreiiert hat. Raffiniertes Gespür für dramaturgische Kontraste lebt, als Hudler die hypnotisierende, modale Melodie von Debussys Syrinx unmittelbar auf eine weitere, völlig andere Komposition von Ernst Rejseger bezieht, die mit einem sphärischen Ozean aus Klang-Arpeggien den Saal des Kunstmuseums in eine epische Sound-Cineastik taucht. Mittendrin, über weite Umwege zur Musik der australischen Aborigines landen wir weich bei einem alten Jazz-Standard an: „Someday My Prince Will Come“. Aber dann schon wieder öffnen sich Tore zu expressiver und auch dunkler Musik: Das Stück „Kiev III“ von John Zorn wirkt durch sein dramatisches, klezmer-affines Pathos verstörend aktuell.

So geht musikalische Universalität

Phasenweise nutzte Hudler auch seine Stimme. Zum Beispiel bei einem einem Ausflug in die sizilianische Musiktraditionen hinein. Und deren Bordun-Klänge, die sich zu rechten Riffs verdichten, liegen irgendwie auch auf einer gemeinsamen Wellenlänge mit ähnlichen Effekten in der tänzerischen Gigue aus der dritten Bach-Suite. Als er das Cello wieder mal wie eine Gitarre hält, platziert er schließlich die Sarabande aus dieser Suite, die sich dann in wundersamer Stimmigkeit in den Fluss einer balladesken Jazz-Improvisation einfügt.

Peter Hudlers Konzert war mehr als ein Musikabend – es war eine Demonstration musikalischer Universalität. Er bewies eindrucksvoll, dass es keine wirklichen Grenzen zwischen Musikgenres gibt, zumindest nicht für einen Musiker mit solch souveränem Blick und unbändiger Kreativität. Der Cello-Herbst am Hellweg hatte an diesem Abend einen Künstler präsentiert, der nicht nur Musik spielt, sondern sie neu denkt und erlebbar macht.

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