Casa da Musica Porto
Outono em Jazz - Herbst in Jazz
TEXT: Uwe Bräutigam | FOTO: Uwe Bräutigam
Outono em Jazz bietet dem Publikum in der Casa da Musica im nordportugiesischen Porto ein anspruchsvolles und vielseitiges Programm. Die Casa De Musica, ist ein Wahrzeichen der Stadt Porto, ein poligonaler Körper aus weißem Sichtbeton, den der niederländische Stararchitekt und Architekturtheoretiker Rem Koolhaas entworfen hat. Für die Akustik wurde der berühmte japanische Akustiker Yosuhisa Toyota hinzugezogen, der auch für die Akustik Elbphilharmonie verantwortlich ist.
Die Konzerte des Outono em Jazz vom 11. Oktober bis zum 2. November sind auf Vielfalt und Unterschiedlichkeit ausgerichtet. Sie reichen von der Jazz Diva Dianne Reeves über den brasilianischen Jazz Rapper Marcello D2 bis zu Peter Evans oder Marc Ribot aus der New Yorker Down Town Avantgarde. Oft sind es Doppelkonzerte, die äußerst unterschiedliche Musiker an einem Abend präsentieren. Vielleicht weil Outono em Jazz kein eigentliches Festival ist, sondern eine hochkarätige Jazz Konzertreihe, in einer großartigen Konzerthalle, ist er dem internationalen Publikum bisher entgangen. Dabei ist der Jazz Herbst in Porto eine Veranstaltungsreihe mit 17 Konzerten in drei Wochen, die durchaus einem Festival gleichkommt und unbedingt mehr Beachtung verdient, zumal auch die Eintrittspreise sehr moderat sind.
Über drei Doppelkonzerte aus der Konzertreihe soll hier berichtet werden.
Alfonso Pais & Rita Maria – Mat Maneri, Evan Parker, Lucian Ban
Der Gitarrist und Komponist Alfonso Pais hat fünf Jahre in New York mit herausragenden Musikern wie Kurt Rosenwinkel oder Peter Bernstein zusammengearbeitet. Seit 2003 ist er wieder in Portugal und lotet die Möglichkeiten der Improvisation und Komposition auf der Gitarre weiter aus. Für die portugiesische Jazz Sängerin Rita Maria hat er Lieder geschrieben, die von vielen Quellen gespeist sind. Rita Maria ist eine Kosmopolitin, die in Kolumbien und Indien gelebt hat und mit unterschiedlichen Klangwelten vertraut ist. Die Zeitschrift Jazzthing schreibt ganz treffend: „..zusammen mit dem Gitarristen Afonso Pais schlendert Rita Maria durch sehr unterschiedliche klangliche Kulturräume, die Rio genauso verinnerlicht haben wie New York…“ Auf dem Konzert wird der enorme Stimmumfang der Sängerin deutlich, die in den hohen Lagen ebenso brillieren kann, wie in den tiefen Bereichen. In den Songs haben Fado Anklänge und brasilianische Rhythmen ebenso Raum, wie klassischer Jazzgesang mit Scaten. Alfonso Pais spielt dazu großartige Improvisationen. Das Publikum ist begeistert und es gibt standing ovations.
Das zweite Konzert des Abends ist von völlig anderer Art. Hier spielen drei international bekannte Free Jazzer und Improvisateure zusammen. Mat Maneri aus New York, der die Geige im Jazz neu definierte, hat nach zwölf Jahren wieder ein Album als Leader eingespielt, nach unzähligen Alben als Sideman. Zusammen mit seinem langjährigen Weggefährten, dem Pianisten Lucian Ban aus Rumänien und dem europäischen Free Jazz Urgestein Evan Parker am Sopransaxophon hat er “Sounding Tears“ auf dem Clean Feed Label veröffentlicht. Dieses Album stellen die drei Musiker in Porto vor. Natürlich ist es Avantgarde Musik, aber erstaunlich gezähmt.
Maneri nennt die Musik: “like a mixture of Lester Young with something insane; with roots in the past of a parallel universe that may never have existed.”
Wenn Evan Parker zwischendurch seine Hochgeschwindigkeitssoli spielt, dann assoziiert man nicht unbedingt Lester Young, aber die Stimmung ist insgesamt eher poetisch und elegisch. Es gibt immer wieder lange ruhige Passagen, die dann wieder in wilde schnelle Ausbrüche münden und zu einer Mollstimmung zurückgeführt werden. Großartige Musik.
Tony Allen Quartett (Tribute to Art Blakey) – Marcelo D2 & Sambadrive
Tony Allen, der legendäre Drummer von Fela Kuti, einer der Begründer des Afro Beat, huldigt seinem Vorbild Art Blakey und seinen Jazz Messangers. Art Blakey hat in den 40er Jahren Westafrika bereist und sich mit Musik, Religion und Kultur beschäftigt. Diese Einflüsse sind in seine Musik eingeflossen. Der nigerianische Drummer Tony Allen schließt den Kreis nun, in dem er die Musik wieder nach Afrika zurückholt. Das Tony Allen Quartett besteht aus Matthias Allamane am Bass, Jean Phil Dary am Piano, beide sind auch auf dem neuen Blue Note Album dabei, und dem cubanischen Saxophonisten Irving Acao. Tony Allen sagt zu seinem Art Blakey Projekt: “The sessions are jazz but jazz my way.“ Die Stücke von Blakey wie Moanin (Bobby Timmons) oder Night In Tunesia (Dizzy Gillespie), sind leicht zu erkennen. Aber ebenso wie Art Blakey sie zu seinen Stücken machte, hat Tony Allen sie nun zu den seinen gemacht, mit groovigem Afrobeat Hintergrund.
Aber es ist tatsächlich sehr jazzig was das Tony Allen Quartet spielt. Allan ist der Taktgeber, der aber eher zurückhaltend spielt. Pianist Jean Phil Dary und Bassist Matthias Allamana sind wichtige Begleiter, um den `Art Blakey Afrobeat` zu ermöglichen. Sie glänzen nicht nur als Begleiter, sondern liefern auch herausragend improvisierte Soli. Das lässt sich ebenso von dem Tenorsaxophonisten Irving Acao sagen, der in seinen wunderbaren Soli den Geist vonJohnny Griffin aufleben lässt. Tony Allans Hommage würde Art Blakey sicher gefallen.
Das folgende Konzert hat einen völlig anderen Charakter. Das Publikum, dass den großen Saal mit 1300 Plätzen füllt ist jung und der weibliche Anteil überwiegt. Wobei alle Konzerte der Jazzreihe in Porto einen deutlich höheren Frauenanteil und mehr junges Publikum haben, als deutsche Jazzkonzerte.
Der brasilianische Rap Star Marcelo D2 tritt auf, er ist auch in Portugal ein Star. Seit 25 Jahren auf der Bühne und Millionen verkaufter Scheiben unter dem Gürtel, zieht er auch in Porto das Publikum in sein Konzert. Marcelo D2 tritt mit dem Trio Sambadrive zusammen auf, ein klassisches Samba Trio der 60er. Neben dem Sambadrive Trio hat er noch den Saxophonisten Joao Mortágua und den Vibraphonisten Ricardo Coelho als Gastmusiker dabei, die viel Raum für ihre hervorragenden Improvisationen haben. Marcelos Texte sind sozialkritisch und wenden sich gegen Ungleichheit und Ausbeutung. Er ruft zu Widerstand und Rebellion auf und lässt das Publikum die Fäuste recken. Er beherrscht alle Hip Hop Klischees und setzt sie gezielt für seine Show ein. Aber er ist auch ein musikalischr Innovator im Hip Hop und im Samba Jazz, in dem er beide Musikstile miteinander verbindet. Marcellos Hip Hop ist solide auf brasilianischen Sambarhythmen gebettet.
Jack Broadbent – Marc Ribot & The Young Philadelphians (plus strings)
Auch dieses Doppelkonzert bringt sehr unterschiedliche Musik auf die Bühne der Casa da Musica. Der Auftakt des Abends ist das Solokonzert des jungne englischen Shootingstars der Slideguitar Jack Broadbent. Er eröffnet mit einer Slide Version des Canned Heat Klassikers On The Road Again. Die Slideguitar vor sich auf dem Schoß, entlockt er ihr unglaubliche Töne. Er spielt Solo und Begleitung in einem und singt mit seiner anpassungsfähigen Stimme, als ob “ the bear“ auferstanden wäre. Neben Klassikern wie The Wind Cries Mary, Moondance oder Hit The Road Jack, denen er neues Leben einhaucht, spielt er auch neue Stücke, wie Easy Street oder Living On The Run, die auf seinem neuen Album Anfang des Jahres erscheinen werden. Er wechselt die Konzertgitarre mit der Slideguitar ab und schafft es über eine Stunde Solo zu spielen ohne das Publikum zu ermüden.
Nachdem Solo von Jack Broadbent spielt Marc Ribot, auch Gitarrist, mit seinem Septett The Young Philadelphians. Dieses Projekt geht auf zwei musikalische Quellen zurück, dem Punk-Funk von Ornette Colemans Prime Time Band und dem Philly Soul der 70er Jahre. Jamaaladeen Tacuma am Bass und Grant Calvin Weston, beide aus Philadelphia, gehörten zur Prime Time Band von Ornette Coleman.
Marc Ribot ist mit dieser Band bereits 2015 im Kölner Stadtgarten aufgetreten. In Köln war Mary Halverson an der akustischen Gitarre, sie ist jetzt durch Al MacDonall am Piccolo Bass, ersetzt worden. Das Programm entspricht in vielem dem Konzert in Köln, so wurden Songs wie Love Rollercoaster oder Do It Anyway You Wanna als Ausgangsmaterial benutzt für weitausholende Songs mit langen Improvisationen. Die Streicher stehen unverdientermaßen in Klammern, denn sie sind fester Bestandteil der Band und alles andere als Background. Bei den Streichern sind zwei Musiker aus Köln: Nathan Bontraeger, vom IMPAKT Kollektiv am Cello und an der Violine Axel Lindner, der auch im Multiple Joyce Orchestra mitspielt. Der dritte Streicher ist der in Holland lebende Amerikaner Max Haft, ebenfalls an der Violine. Die Streicher haben für den Gesamtklang wichtige eigene teils recht dissonante Parts in den Stücken, mit spannenden Soli der einzelnen Musiker. Gleichzeitig geben sie dem Sound von Gitarre, Schlagzeug und den beiden Bässen ein größeres Volumen und bringen den psychedelischen Touch des Philadelphia Souls hinein. Marc Ribot gelingt eine faszinierende Mischung aus freiem Spiel mit großartigen Improvisationen und der klaren rhythmischen Struktur des Soul.
Der Sound in Porto war deutlich dichter, ausgereifter und kräftiger als in Köln und die Akustik der Casa da Musica wertete die Musik noch einmal merklich auf. Das Konzert der Young Philadelphians ist sicher ein Highlight des Outono em Jazz in Porto.
Informationen zum Gesamtprogramm: