Branford-Marsalis-Quartett
Großartiger Spaziergang durch die Jazzgeschichte
TEXT: Christoph Giese | FOTO: Sven Thielmann
Der erste Schweiß floss schnell, so aberwitzig rasant hob das Branford-Marsalis-Quartett in der Essener Philharmonie zu einer echten Sternstunde ab...
Eine kulturelle Relevanz gesteht er dem Jazz schon länger nicht mehr zu. Der Zug sei abgefahren, die Popmusik würde heute doch alles beherrschen, gab Branford Marsalis in einem Interview für nrwjazz schon vor ein paar Jahren zu bedenken. Dennoch ist der erstgeborene Sprößling der musikalisch so begabten Marsalis-Familie dem Genre treu geblieben, auch wenn er früher selbst gerne mal über den musikalischen Tellerrand geschaut hat. Gott sei Dank spielt der US-Amerikaner immer noch Jazz, muss man nach einer Sternstunde in der Essener Philharmonie sagen.
Langes Aufwärmen brauchen der Saxofonist und seine Langzeit-Kollegen Joey Calderazzo am Piano, Eric Revis am Kontrabass und Justin Faulkner am Schlagzeug dabei nicht. Da fließt der erste Schweiß schnell, so aberwitzig rasant legt das Weltklasse-Quartett gleich mal los. Explosiv, mit rhythmischen Wendungen und Freiheiten für Improvisationen. Dabei sind die Melodien der Stücke immer der Ausgangspunkt. Auch als später im Konzert wilde Saxofon-Girlanden, Bassstakkati und auf die Klaviertasten regelrecht gehämmerte Schläge das Geschehen fast zum Bersten bringen vor überbordender Energie. Um dann plötzlich in ruhigen Bahnen weiter zu laufen.
Bop, Swing, eine sanfte Brasil-Nummer, New Orleans-getränktes, Rhythm & Blues oder soulgetränkte Ballade - das Spektrum dieser sehr unterhaltsamen Reise durch den Jazz ist breit. Was auffällt: Branford Marsalis gibt sich betont lässig, lässt seinen Mitstreitern immer wieder Raum. Er ist der Bandleader, aber auch gleichgestellt mit den anderen dreien. Auch das charakterisiert die Klasse dieser Band, die in Essen gut 100 pausenlose Minuten lang ziemlich verwöhnt hat.