Bojan Vuletic – Plädoyer für Menschlichkeit
Großartiges Konzert von Markus Stockhausen und Bojan Z
TEXT: Uwe Bräutigam | FOTO: Peter Stumpf
„Es ist in unserer Zeit wichtig für Menschlichkeit einzutreten,“ sagte der Komponist und Musiker Bojan Vuletic anlässlich der Uraufführung seines Kompositionszyklus “Anlitze von Macht und Ohnmacht.“
Der Trompeter Markus Stockhausen und der Pianist Bojan Z (Zufikarpasic), zwei international renommierte Musiker mit vielen Auszeichnungen, spielen den elfteiligen Zyklus im Düsseldorfer Weltkunstzimmer im Rahmen des Asphalt Festivals.
Der Komponist setzt sich anhand von elf musikalischen Porträts, mit der paradoxen Situation auseinander, das Menschen sich unmenschlich verhalten können, sich aber auch mit ihrer Menschlichkeit gegen Unmenschlichkeit stemmen können.
Die Musik hat auskomponierte Teile und Raum für Improvisation. Die Bereiche, in denen ein rationales Handeln der Personen nicht mehr möglich ist werden mit improvisierter Musik ausgedrückt.
Es sind sehr unterschiedliche Frauen und Männer, die Bojan Vuletic mit seiner Musik darstellt. Die ersten drei Personen sind: die Syrerin Doaa Al Zamel, die bei ihrer dramatischen Flucht mehrere Tage im Wasser war und dabei ein Kleinkind vor dem Ertrinken rettete; der jugoslawische Dissident und Systemkritiker Milovan Djilas, der als Minister und Parteiführer an der Macht beteiligt war und nach seinen kritischen Veröffentlichungen ins Gefängnis musste und Che Guevara, Arzt, kubanischer Revolutionsführer und Minister, der seinen Regierungsposten aufgab und wieder als Guerilla in den Dschungel ging. So unterschiedlich, wie die Menschen sind auch die musikalischen Porträts. Im ersten Werk ist das Pianospiel ausgesprochen intensiv und die Trompete gibt sich dort ein. Das zweite Stück beginnt mit einem eindringliches Flügelhorn von Markus Stockhausen und dazu wenige ruhige Akkorde von Bojan Z. Stockhausen bläst in einer Passage sein Horn in den Resonanzraum des Flügels und erzielt einen besonderen Echoeffekt. Das dritte Stück, das den Südamerikaner Ernesto Guevara porträtiert, ist sehr rhythmusbetont. Nach einem sehr rhythmischen Pianosolo schlägt Bojan Z mit den Händen auf dem Pianodeckel den Rhythmus und Markus Stockhausen spielt die Trompete in den hohen Registern.
Die nächsten Porträts sind vier besonderen Frauen gewidmet. Malala Yousafzai ist Kinderrechtsaktivistin aus Pakistan, die einen Kopfschuss durch einen Taliban Fanatiker überlebte. Die Afroamerikanerin Harriet Tubman verhalf im amerikanischen Bürgerkrieg entlaufenen Sklaven mit der Underground Railroad zur Flucht in den Norden. “La Pasionaria“,die baskische Revolutionärin und Antifaschistin Dolores Ibárruri, die gegen das faschistische Francoregime in Spanien kämpfte und berühmt wurde durch ihren Aufruf: „No pasarán“ – Sie werden nicht durchkommen. Draga Djilas war eine jugaslawische Widerstandskäpferin gegen die Nazis, die vor der Exekution in die Berge floh und wochenlang hungernd überlebte.
Auch für diese außergewöhnlichen Frauen komponierte Bojan Vuletic außergewöhnliche Musik.
In Malalas Porträt setzt Markus Stockhausen eine gestopfte Trompete ein und spielte lange Haltetöne,die er mit Elektronik bearbeitete. Er erzeugt Klänge, die wie ein Orgelbrausen anschwellen und in die Bojan Z harte Akkordkluster hineinspielt, um dann zu impressionistisch klingenden Läufe zu wechseln.
Das Portrait der Afroamerikanerin Harriet Tubman leitet Bojan Z mit einer Perkussion auf dem Flügeldeckel ein und Markus Stockhausen setzt wieder das Flügelhorn ein.
Es sind expressive Kluster am Klavier zu hören, wilde Trompetenklänge und Markus Stockhausen macht Geräusche direkt ins Mikrophon am Schalltrichter.
Schnelle Wechsel, harte Schnitte und dazwischen eine melodiöse Passage.
Die beiden Musiker zeigen immer wieder ihre Vielseitigkeit und ihr Können.
Die letzten Porträts sind Arturo Ui, Brechts Hitlerpersiflage, Abraham, dem Urvater aus der Bibel, der bereit war seinen Sohn zu töten, einem nicht genannten Menschen und dem ungarisch-montenegrischem Schriftsteller Danilo Kis, der miterlebte wie sein Vater als Jude, eine Exekution überlebte, gewidmet.
Auch im letzten Teil werden viele musikalische Ideen umgesetzt, es gibt Anklänge von Volksmusik, lyrisches Pianospiel, sowie rasend schnelle Läufe oder elektronisch bearbeitete Trompete. Immer wieder ist die Virtuosität der Musiker gefordert.
Trotz aller erweiterten Techniken, die ab und an zum Zuge kommen, ist die Musik von “Anlitze von Macht und Ohnmacht“ weniger experimentell und avantgardistisch als fühere Werke von Bojan Vuletic. Trotzdem ist die Komposition ungemein komplex und vielschichtig. Mit der reduzierten Form eines Piano-Trompeten Duos werden die einzelnen Ideen und Motive transparenter und es entsteht eine besondere Dichte und Tiefe. Nicht zuletzt durch das meisterhafte Spiel von Markus Stockhausen und Bojan Z.
"Anlitze von Macht und Ohnmacht" von Bojan Vuletic ist Musik die berührt. Die Porträts der Menschen berühren oder/und regen zum Nachdenken oder Nachlesen an. Ein gelungenes Plädoyer für Menschlichkeit.
Weiteres Programm des Festivals:www.asphalt-festival.de
Berichte über frühere Werke von Bojan Vuletic:
https://nrwjazz.net/jazzreports/2016/bojanvuleticguernica/
https://nrwjazz.net/reviews/2015/BojanVuleticAlteFarbenfabrik/
https://nrwjazz.net/reviews/2015/Nate_Wooley_und_Mivos_Quartett_Palais_Wittgenstein/