Bojan Vuletic: Kafka in Musik verwandelt
MIVOS quartet - Nate Wooley u. Matt Moran
TEXT: Uwe Bräutigam | FOTO: Uwe Bräutigam
Franz Kafka gewidmet ist das fünfte Werk der Reihe: RecomposingArt des Düsseldorfer Komponisten und Musikers Bojan Vuletic. Kafkas Erzählungen „Die Verwandlung/Bericht für eine Akademie“ sind Ausgangspunkte für ein neues Musikstück. Die deutsche Uraufführung fand am 18.9. in Düsseldorf in „Alte Farbwerke -Halle 21“ statt. Am 2.9. war die Komposition bereits in New York, in gleicher Besetzung, mit Musikern aus der dortigen Avantgarde Szene für improvisierte Musik, erfolgreich aufgeführt worden.
MIVOS quartet:
Olivia de Prato und Joshua Modney, Violine, Victor Lowrie, Viola und Mariel Roberts, Cello, Nate Wooley, Trompete, Matt Moran, Vibraphon.
Im März dieses Jahres konnte das Publikum in NRW, das MIVOS quartet und Nate Wooley bereits im Rahmen der jüdischen Kulturtage im Rheinland auf einigen Konzerten erleben. Dort spielten sie „Atemwende“ (2011), das erste Werk aus der ReiheRecomposingArt von Bojan Vuletic. Hier ist der Gedichtzyklus „ Atemwende“ von Paul Celan die Grundlage der Komposition (Siehe dazu Review im Archiv: „Literatur und Musik Im Dialog“).
Mit dem Autor Uwe Schareck hat der Komponist Vuletic die beiden Kafka Texte „Die Verwandlung“ und „Bericht für eine Akademie“ neu angeordnet. Diese neue Textstruktur bildet das Ausgangsmaterial für die Komposition, in der die Verwandlung von Mensch zu Tier und von Tier zu Mensch musikalisch darstellt wird.
Gerade Franz Kafkas Verwandlung scheint aktuell Musiker besonders zu inspirieren. Der Trompeter Frederek Kösterhat sein neues Bandprojekt ebenfalls „Die Verwandlung“ genannt.
Auch wenn die Impulse für Bojan Vuletics Komposition von der Literatur Franz Kafkas ausgehen, handelt es sich keineswegs um Programmmusik.„Ich habe keinen Soundscape zu Kafkas Texten geschrieben,“ sagt der Komponist.
In einer kurzen Einführung erläutert Vuletic die beiden Pole der Komposition. Auf der einen Seite eine auskomponierte Polyphonie, die die menschliche Intelligenz repräsentiert und auf der anderen Seite die ungezähmte tierische Wildheit, die sich in intuitiven Improvisationen äußert.
Die Verwandlung der einen in die andere und die Konflikte und Reibungen, die im Übergang entstehen, werden in zeitgenössische Musik umgesetzt und so für den/die ZuhörerIn neu erfahrbar gemacht.
Diese Intention des Komponisten wird durch die Musiker auf kongeniale Weise umgesetzt,
wobei diese immer wieder die Grenzen ihrer Instrumente auf sehr kreative Art erweitern.
Während der gesamten Aufführung wird deutlich, wie eng Komponist und Musiker aufeinander bezogen sind. Bojan Vuletic sagte dazu, dass er beim Komponieren eben diese Musiker im Kopf hatte und sie innerlich hörte.
Die Brüche, Widerstände und letztendlich auch Schmerzen der Verwandlung von einer Daseinsform in eine andere werden mit musikalisch virtuosen Mitteln erlebbar gemacht. An solchen Passagen kratzen dann die Bögen des Mivos Quartetts oder Nate Wooley überbläst schrill. Als Gregor Samsa versucht zu sprechen und nicht realisiert, dass er nun ein Käfer ist,wird dies umgesetzt, indem Nate Wooley Textstellen in sein Horn spricht bei denen er stöhnt und ächzt.
Aus diesen teilweise schmerzlichen Übergängen entsteht eine neue Qualität, die dann durch polyphone Harmonien mit euphonischen Vibraphon – und Streicherpassagen ausgedrückt wird.
Bojan Vuletic gelingt es mit dieser Komposition, Grundideen der Texte Kafkasneu zu erleben. Auch ohne Verweis auf die Texte und deren Kenntnis transportiert die Musik den Gegensatz oder vielleicht auch das Nebeneinander von strukturierender Intelligenz und wilder unkontrollierter Emotion.
Nach einer Pause spielte das MIVOS quartet zum Abschuss des Konzertabends noch zwei kleinere ältere Stücke von befreundeten amerikanischen Komponisten. Auch hier zeigt sich, dass das Quartett aus New York zu recht zu den wichtigsten Ensembles in der jüngeren zeitgenössischen Musik gehört.