Bock auf Jazz
Hufschmidt Quartett feat. Stefan Bauer im Glashaus
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Stefan Pieper
Das war Jazz ohne wenn und aber und mit drei riesigen Ausrufezeichen! Thomas Hufschmidt , Stefan Bauer, Thomas Alkier und Walfried Böcker hatten auf jeden Fall unglaublich Bock auf diesen Konzertabend im Rahmen der Reihe „Klangraum Glashaus“. Noch schöner, dass so etwas im Hertener Glashaus auf ein Publikum traf, das genau danach ausgehungert war.
Eine Band, eine Venue, ein Publikum und ganz viel geteilte Freude. Alle vier waren relativ adhoc für den Gig zusammengekommen, die Vorarbeit erfolgte kurz, aber fokussiert. Am Ende waren alle überrascht, dass der Abend tatsächlich SO eine Intensität entfaltet hatte.
Songs, Standards und Soli sind das Material, vielfach aus dem Great American Songbook, aber auch aus der Feder von Stefan Bauer, der zu jedem Stück eine Geschichte parat hat. Musikmachen hat bei diesen vier gestandenen Persönlichkeiten immer etwas mit der großen Lebenserzählung zu tun. Für die es eigentlich gar keiner Worte bedurfte, als es in der luftigen Akustik des Glashauses zur Sache ging, sich etwas ausbreitete und atmete. Uptempo und downtempo in ausgewogenem Mix. Das eine so virtuos treibend, dass es jede Nervenzelle vitalisierte, das andere - vor allem in getragenen Balladen - eine fast andächtige Versunkenheit beim Publikum evozierend.
Erfahrungen sind ein Nährboden
Themen, etwa von Richard Rogers, Dave Samuels oder aus der Feder von Stefan Bauer selbst wirken wie ein üppig wachsender Baum auf dem Nährboden der gesammelten Erfahrungen, einer hellwachen Instrumentenbeherrschung und den fantasievollen Improvisationen, die sich über weite Strecken filigran immer weiter verästeln. Thomas Hufschmidt , Stefan Bauer, Thomas Alkier und Walfried Böcker sind langjährige enge Freunde miteinander, was auch etwas musikalisch Verbindendes erzeugt, und zwar bis in den letzten Akzent der Musik hinein. Unsichtbare, aber verlässliche Brücken zwischen Vibrafon und Klavier, aber auch zwischen Vibrafon und Schlagzeug bauen sich in Echtzeit. Im Zentrum sorgt Bassist Walfried Böcker für eine beständige kraftvolle Welle, auf der jetzt alle reiten können. Der zweite Set des Konzertabends gehört der ausgiebigen solistischen Entfaltung, etwa in kontemplativen melodischen Bögen von Thomas Hufschmidt oder in einem langen, rezitativischen Solotück, in dem Stefan Bauers Spiel eine fast schon spirituelle Aura entfaltet. Der Energielevel, der aus so viel geteilter Freude hervorgeht, mündet schließlich in zwei eurphorisch explodierende Schlagzeugkadenzen von Thomas Alkier. Immer weiter, immer höher könnte dieser belebende Swing durch die Decke gehen. Die ist im Glashaus ja durchsichtig, dass man bei Tageslicht den Blick gen Himmel schweifen kann.
Die letzte von circa einem halben Dutzend Zugaben beweist, dass die Arbeit einer Jazzcombo auch immer etwas mit kluger Vereinnahmung und Verwandlung zu tun hat: Bei All Blues von Miles Davis lässt Stefan Bauer jene Akkordfolge, auf dem diese ganze Nummer vom Kind of Blue-Album baut, magisch in der glockenhellen Klanglichkeit seines Vibrafons funkeln. So umwerfend kann moderner Jazz wirken, wenn zwischen Menschen, Emotionen, Zeitpunkt und Örtlichkeit die perfekte Schnittmenge da ist.
Phänomenaler Spielort und verlässliche Programmplanung gehen Hand in Hand
Diese Venue mitten in Hertens Innenstadt ist auch von ihrer Akustik her ein Phänomen. Die lange Nachhallzeit tut der Präzision im Hörerlebnis keinen Abbruch – im Gegenteil. Die Musik atmet, gelangt luftig und brillant überall dorthin, wo sie hin soll.
Viele Menschen aus den Nachbarstädten und von weiter weg hatten den Weg zum Auftritt dieser Band gefunden. Einen solchen spektakulären Raum wie das Glashaus mittels hochwertiger Programmplanung zu einem lebendigen Kulturort zu ertüchtigen, ist Pflicht. Hier ist vor allem auf Bettina Hahn vom Hertener Kulturbüro seit 1996 bestens Verlass. Man sieht ihr die eigene Leidenschaft für die Sache an, wie sie selbst die Konzerte anmoderiert, wie sie kenntnisreich und mit Begeisterung über die kommenden Highlights informiert, wie sie Teil des begeisterten Publikums ist. Und klar - natürlich ist es maßgeblich ihr Verdienst, dass seit ihrer Amtsübernahme von Beginn an eine regelmäßige Jazzreihe angeboten wird - und auf erfreulich viel Nachfrage stößt.