Bobby McFerrin meets Chick Corea
Klavierfestival 2012
TEXT: Christoph Giese | FOTO: Christoph Giese
Beide sind wahrlich keine Unbekannte, auch nicht beim Klavier Festival Ruhr. Und dass sie schon seit mehr als zwei Jahrzehnten immer wieder mal gemeinsam auf einer Bühne stehen, das erzählt Bobby McFerrin ungefragt ganz am Ende von mehr als zwei Stunden bester Unterhaltung. Jetzt, um kurz nach zehn, ist der Sänger in Plauderlaune. Alles ist gesummt, gesungen, gespielt worden. Aber das Publikum in der vollbesetzten Philharmonie gibt einfach keine Ruhe und klatscht und klatscht. Da kommen Bobby und Chick eben noch einmal raus auf die Bühne, mit den Mikrofonen in den Händen und erzählen. Und bitten um Fragen, die sie dann bereitwillig beantworten.
Musikalisch ließen sie bei ihrem Konzert zuvor keine Fragen offen. Da ersetzt Bobby McFerrin mit seinen Stimmbändern ganz locker ein halbes Orchester. Der 62-Jährige schnalzt mit dem Gaumen, zischelt, presst manchmal die wortlosen Laute derart, dass es fast schon albern wirkt, schlägt sich perkussiv dabei immer wieder mit der rechten Hand auf den Brustkorb, um so einen dumpfen Rhythmus zu klopfen, singt dann aber kurzzeitig auch mal „fast normal“ ein paar Textzeilen. Vom Cotton Club-Evergreen „I´ve Got The World On A String“ etwa.
Wie viele Oktaven schafft seine Stimme? Vier oder fünf? Egal, McFerrin kommt es sowieso nicht aufs Protzen mit seinen fantastischen vokalen Fähigkeiten an. Alles wirkt so lässig und natürlich, wie der in verwaschener Jeans und schlichtem Sweat-Shirt gekleidete Amerikaner auch optisch rüberkommt.
Chick Corea entpuppt sich bei allem als kongenialer Partner. Ob bei einem Blues, ein wenig Bossa, den alten Jazzstandards „Autumn Leaves“ und „Sophisticated Lady“ oder einem Miles Davis-Klassiker – der Pianist umrankt die Vokalkunst seines Partners und Freundes mal postboppig swingend, mal ganz romantisch.
Das alles ist prima Entertainment, traumhaft sicher und zusammen, weil sich beide sowohl beim Improvisieren als auch im Standardrepertoire des Jazz blind auskennen. Große Experimente sind dagegen selten, auch bei den frei improvisierten Stücken.
Und dann dürfen bei McFerrin ja immer auch Mutige aus dem Publikum zu ihm auf die Bühne. Eine junge Frau macht ihre Sache ganz gut beim gemeinsamen Ausloten von spontaner gesanglicher Kommunikation. Richtig klasse wird die Publikumsbeteiligung an diesem Konzert aber erst bei dem in Essen lebenden, türkischen Jazzpianisten Utku Yurttaş, der sich ins Rampenlicht und neben Chick Corea auf den Pianohocker traut und dem Star mit seinem ungeheuren Spielwitz beim vierhändigen Klavierspiel glatt die Show stiehlt.
Chicks Nummer „Spain“ ist dann noch einmal ein echter Höhepunkt des Abends. Schon mit der impressionistischen langen Einleitung, die wunderbar mit dem Thema des Stückes spielt, um sich dann wieder davon zu entfernen, lassen die beiden Künstler erahnen, welche Kreativität in ihnen steckt. Längst nicht alle Momente in Essen trugen dieses Merkmal in sich.