Blumeninsel im Jazzfieber
Funchal Jazz Festival 2015
TEXT: Christoph Giese | FOTO: Renato Nunes
Da kündigt Joe Lovano seinen Song „Full Moon“ an und wenn man rechts neben der Bühne direkt aufs Wasser und dann ein wenig höher blickte, dann sah man ihn hell strahlen, den Vollmond über Funchal. Wie passend war das doch! Zur optischen Idylle in Madeiras Hauptstadt lieferte Lovano mit seinem Quartett mit dem quirligen Joey Baron am Schlagzeug ein ganz starkes Konzert ab. Mit seinem kraftvollen Ton auf dem Tenorsaxofon blies der Amerikaner packende Linien und schaffte es besonders in den Nummern, die er als Hommage an Ornette Coleman spielte, wahre Magie zu verströmen.
Das „Funchal Jazz Festival“ hatte noch einen zweiten fantastischen Saxofonisten im Programm. Miguel Zenón reiste mit seinem langjährigen Quartett an und entfachte auf der Open Air-Bühne im Santa Catarina-Park rasch ein loderndes Feuer. Sein Ton auf dem Altsaxofon ist flüssig, elegant, soulig und doch mit einer feinen Schärfe versehen. Mit diesem Ton kann der Mann aus Puerto Rico alles spielen zwischen Jazz und Latin. Und zwischen diesen Polen bewegte sich sein Konzert. Das war ein energiegeladenes Erlebnis, das Kurt Elling im Anschluss daran als lässiger, vielseitiger, globaler Sänger und Vokalkünstler in eine doch entspanntere Richtung drehte. Der Amerikaner stellte in Funchal sein aktuelles Album „Passion World“ vor, mit Liedern etwa aus Schottland, Frankreich oder Brasilien. Und zeigte, dass er eigentlich so ziemlich alles recht authentisch singt, wenn auch mit typisch amerikanischem Akzent in den Fremdsprachen. Als Charmeur auf der Bühne weiß er zudem rasch ein Publikum für sich zu gewinnen.
André Fernandes mit seinem auch auf CD erschienenen Projekt „Wonder Wheel“ hielt die portugiesischen Fahnen hoch in diesem Jahr. Mit Sängerin Inês Sousa hatte der Gitarrist eine Stimme in seiner Band, die wie geschaffen ist für die eingängigen, durchaus auch immer mal der Popmusik zugewandten Klänge. Weil sie sich sehr schön als „Instrument“ ins Konzept einbringt und weniger als dominierende Frontfrau agiert.
Bassist Christian McBride lieferte mit seinem Akustik-Trio mit den beiden Jungspunden Christian Sands (Piano) und Jerome Jennings (Schlagzeug) soliden Mainstream ab, mit ein wenig Funk und Blues am Schluss. Die drei Amerikaner swingen toll. Aber man muss es mögen, den Kontrabass im Mittelpunkt der Musik fokussiert zu haben. Man muss auch den lauten Fusion-Sound von Terence Blanchards E-Collective mögen, will man richtig Spaß beim Auftritt des US-Trompeters und seiner Band haben. So einige im Publikum hatten den wohl nicht. Und so verließen doch etliche Zuhörer den wunderschonen Santa Catarina-Park vor Konzertende. Ein wenig schade war das, denn Blanchards Auftritt war der letzte des diesjährigen, bereits 16. Funchal Jazz. Festivalchef Paulo Barbosa aber kann trotzdem mehr als zufrieden sein. Denn in seinem zweiten Jahr als künstlerischer Leiter konnte er das Publikumsinteresse noch einmal steigern. Und das, obwohl es auch in diesem Jahr wieder ein finanzieller Balanceakt war, das Festival mit einem hochkarätigen Programm zu füllen.