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Bilder Deiner großen Liebe

Szenisch-musikalische Lesung

Duisburg, 05.05.2018
TEXT: Uwe Bräutigam | FOTO: Uwe Bräutigam

Auf dem Boden sitzt der holländische Percussionist und Performance Künstler Arnold Marinissen, er trommelt auf verschiedenen Rohren, Blechstücken und Schrauben. Eine barfüssige Frau in schwarzer Gymnastikkleidung schaut von außen neugierig in die Fenster, öffnet die Tür, sieht sich um und kommt in den Raum. Dann fängt sie an zu sprechen und erzählt von sich und ihrem Weg. Die Frau ist die Schauspielerin Magdalena Artelt vom Schlosstheater Moers. Sie spricht den Monolog der 14-jährigen Isa aus dem Romanfragment Bilder Deiner großen Liebe von Wolfgang Herrndorff. Isa tritt schon in Herrndorfs erfolgreichen Roman Tschick auf. Sie ist, wie sie sagt, verrückt aber nicht bescheuert. Barfuss geht sie ihren Weg durch das Land und begleitet auch den Autor Herrndorf auf seiner letzten Reise.

Dieser Text tritt in Dialog mit der Komposition Cassandra (1996) von Gerhard Stäbler, ein Werk für Schlagzeuge und Tonband. Stäblers Cassandra ist von Christa Wolffs Kassandra (1983) inspiriert. Christa Wolff schaut in dieser Erzählung mit einem weiblichen Blick auf die alte Mythologie. „Die Figur der Kassandra hat mich deswegen immer fasziniert, weil in jeder Zeit meines Lebens sofort Parallelen zur Gegenwart sichtbar waren. (…) Mit Kassandra ist durch Christa Wolf eine Figur wiederentdeckt, die beginnt, dieses angebliche "Dunkle" des Weiblichen gegen das Licht zu setzen und in ein Gleichgewicht zu bringen. (…) Das ist ja das Verhängnisvolle, was uns die ganzen 2000 Jahre danach ständig in Katastrophen getrieben hat: Dieses Unausgeglichene zwischen dem Männlichen und dem Weiblichen.“ (Stäbler, 1997)

Kassandra ist wie Isa bei Herrndorff eine Außenseiterin und wählt ebenso wie sie den Weg der Autonomie, auch wenn er sie in den Tod führt.

Der Ort der Szenisch-musikalischen Lesung ist Earport im Duisburger Innenhafen. Seit 2015 wirken die Komponisten und Performance Künstler Gerhard Stäbler und Kunzu Shim wieder im Duisburger Innenhafen und betreiben Earport als einen Ort, an dem sich verschiedene Künste, wie Musik, Malerei, Fotografie, Literatur; Tanz oder Performance begegnen.

Nach der Percussion von Arnold Marinissen und den ersten Monologen von Magdalena Artelt, wird ein Rauschen eingespielt. Erst leise und dann lauter, bis der Klang den Raum erfüllt. Es ist die erste von mehreren Einspielungen zusätzlich zur Livemusik.

Arnold Marinissen geht nun zu einem Ständer mit Triangeln und lässt diese klingen. Die Sprecherin setzt sich neben ihn auf den Boden.

Sie schaut nach oben und beäugt kritisch Marinissen und sein Spiel. Magdalena Artelt spricht nicht nur den Text von Isas Monolog, sondern sie verkörpert auch die Rolle des jungen Mädchens. Sie bewegt sich im Raum umher, zögert, hält inne, schaut einzelne Zuschauer an, setzt sich, stellt sich auf einem Tisch, verlässt den Raum und holt eine Tasche mit Drucken von Landschaftsbildern, die sie im Raum verteilt oder an den Scheiben befestigt. Die Musik und ihr Monolog wechseln sich ab, während der Musik spielt sie stumm weiter. Mit ihrer Sprechweise drückt sie Isas Gefühlswelt von Enttäuschung, Wut, Freude, zärtlichen Gefühlen, Geborgenheit, Ärger oder Hoffnung auf sehr eindringliche Weise aus. Magdalena Artelt schafft es die Herrndorf Figur lebendig werden zu lassen, eine herausragende Leistung.

Auch Arnold Marinissen wechselt an verschiedene Percussion Stationen im Raum. Von den Triangeln, geht er zu einer großen Rahmentrommel, in der er Kugeln hin- und herrollen lässt. An großen aufgehängten Gongs spielt er später mit Geigenbögen und erzeugt dort lange gehaltene Töne.

Gerhard Stäblers Werke enthalten oft ungewöhnliche Elemente und überschreiten gewohnte Aufführungspraktiken. Auch in seinem Werk Cassandra setzt er Mittel ein, die das Publikum aus der Behaglichkeit aufschrecken. Arnold Marinissen schleudert unerwartet einen Stein auf eine Glasplatte, ein Knall und die Glasscheibe zersplittert im Raum. Ein weiteres Merkmal vieler Arbeiten von Gerhard Stäbler ist die Verflechtung von Komposition und Improvisation, die auch bei der Aufführung in Duisburg zum Tragen kommt. Stäbler selbst nimmt auch an der Aufführung teil, in dem er den Vokalpart der Komposition live spricht. Er besteht aus unverständlichen Worten, die nur aus Konsonanten bestehen oder anders verfremdet sind. Auch hier werden unterschiedliche Gefühlslagen ausgedrückt, von ruhig bis hysterisch schreiend.

Neben der szenischen Lesung schafft die Musik weitere Möglichkeiten der Reflektion und setzt zusätzliche Impulse und so entsteht ein Synergieeffekt von Musik und szenischer Lesung, der dem Publikum neue Räume eröffnet.

Bilder Deiner großen Liebe ist ein Gastspiel des Schlosstheaters Moers im Earport Duisburg und die zweite Veranstaltung in einer Reihe von vier Aufführungen. Es bleibt zu hoffen, dass die Zusammenarbeit vom Schlosstheater Moers und Earport weiter geht und das Publikum sich auf zwei weitere spannende Veranstaltungen freuen darf.

Bilder deiner Großen Liebe – Gastspiel des Schlosstheaters Moers

Szenische Lesung: Magdalena Artelt

Schlagzeuge: Arnold Marinissen

Stimme: Gerhard Stäbler

Szenische Einrichtung: Ulrich Greb

Dramaturgie: Annika Stadler

Klangregie Kunzu Shim

Komposition Cassandra: Gerhard Stäbler

Text: Wolfgang Herrndorf

www.schlosstheater-moers.de

https://www.earport.de/

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