Tradition und Erneuerung im Ebertbad
Die WDR Jazzpreis Gala fand in Oberhausen statt
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Lutz Vogtländer
Der WDR hatte zur Preisverleihungsgala seines traditionsreichen Jazzpreises an einen besonderen Spielort im Ruhrgebiet eingeladen, ins Oberhausener Ebertbad. Mit Simon Oslender, Götz Alsmann und der MKS Big Band Duisburg ehrte der Sender drei Facetten einer Musikkultur, die zwischen Bewahrung und Erneuerung navigiert. Die Wahl des Ebertbads unterstrich das aktuelle Konzept des WDR-Jazzpreises unter Redakteur Jörg Heyd: Regionale Kooperationen sind ausdrücklich erwünscht – in diesem Fall mit Eckart Pressler (Mercator Jazz) und Peter Baumgärtner (Jazzförderung Rhein-Ruhr), wodurch das traditionsreiche, ehemalige Schwimmbad in Oberhausen auch zum ersten Mal Aufnahmeort wurde.
Das Ebertbad, einst Schwimmhalle und heute Kulturraum, ist ein echtes Juwel, an dem Geschichte, Kultur und ein Hauch von Großstadt-Varieté aufeinandertreffen. Simon Oslender, der Hauptpreisträger, trat mit der WDR Big Band als moderner Traditionalist auf höchstem Niveau auf. Im lockeren Bühnen-Talk mit Götz Alsmann verriet er, dass er schon im Kindeshalter für seine heutige Musikerlaufbahn geprägt wurde: Als Fünfjähriger hörte er zum ersten Mal auf einer DVD eine Hammond-Orgel. Das sei der Moment gewesen, in dem er entschieden habe, was er mit seinem Leben anstellen wolle, reflektierte der 28-Jährige. Der kindliche Wille war stark und führte Simon Oslender schließlich zum Instrument. Wenn Oslender die Hammond B3 spielt, ist der Sound voluminös, das Timing präzise und seine Improvisationen atmen tiefen Soul – verspielt, spirituell und von solidem Groove getragen. Wenn Oslender im Ebertbad den Leslie-Lautsprecher zum Rotieren brachte, erklang darin nicht nur die Geschichte des Jazz, sondern ein Versprechen: Dass es möglich ist, auch im Bewährten das Neue zu entdecken.
Die ganze Strahlkraft institutioneller Jazzpflege
Das alles fand in der WDR Big Band einen würdigen Resonanzraum, erwartungsgemäß auf gut geöltem Top-Level, der die ganze Strahlkraft institutioneller Jazzpflege vor circa 300 Zuhörenden sowie vielen Fernsehkameras in Oberhausen aufblühen ließ. Diesmal unter Jörg Achim Kellers Leitung reichte die stilistische Bandbreite vom klassischen Swing im Eröffnungsstück „All of Me" über bodenständigen Shuffle-Blues bis zum Gospel-getränkten „Warehouse", während das Stück „In Good Hands" funkiger zur Sache ging. In der ehemaligen Schwimmhalle mit ihrer bemerkenswerten Akustik brillierte die Bläsersektion mit messerscharfer Artikulation, ausbalancierten Voicings und feinster dynamischer Staffelung. Herausragend waren die Soli von Karolina Strassmayer am Altsaxophon und die kraftvollen Posaunen-Interventionen von Raphael Klemm und Ludwig Nuss. Hans Dekker am Schlagzeug hatte vor allem in fetten Nummern wie „Close Call" und „Warehouse" seinen großen Auftritt. Bei den meisten Nummern handelte es sich wohlgemerkt um stilsicher servierte Eigenkompositionen von Simon Oslender.
Ein Bewahrer mit Leib und Seele ist auch Götz Alsmann, der seit Jahrzehnten als umtriebiger Moderator die etablierten Jazzbühnen aufmischt. Seit 1985 sendet er nahezu ununterbrochen für den Sender, quer durch die Wellen. Seine Laufbahn begann einst bei Radio Dortmund, dem legendären WDR-Kabelprojekt, und führte durch sämtliche Wellen schließlich zum WDR 3. Das war letztlich auch Uli Kurt, dem legendären WDR-Jazzredakteur, mit zu verdanken. Götz Alsmanns Investition in die Plattensammlung dürfte also nicht umsonst gewesen sein, scherzte er auf der Bühne. Für die daraus hervorgehenden vier Jahrzehnte musikalischer Vermittlungsarbeit wurde Alsmann nun mit dem Lebenswerk-Preis geehrt. Alsmann hat sich aber auch selbst als Musiker nie lange bitten lassen. So habe er in 20 Jahren gemeinsamer Arbeit für die Sendung „Zimmer frei" zwischendurch immer selber Klavier gespielt, was alle Beteiligten bei Laune hielt. Für den Gala-Abend in Oberhausen hatte sich eine logische Konsequenz ergeben: Selber am Flügel zusammen mit der WDR Big Band spielte er die Eröffnungsnummer – später griff er sogar zum Akkordeon für ein gefühliges Duett zusammen mit Simon Oslender an der Hammond-Orgel. Wie fabelhaft Oslender auch Klavier spielt, ging an diesem Abend schon etwas unter, denn das blitzte nur in einer einzigen Nummer mit der WDR Big Band mal so richtig auf – was er da an filigranem, artikuliertem Spiel ablieferte, macht auf jeden Fall Lust, auch mal beim Pianisten Simon Oslender tiefer reinzuhören bei diesem Aachener Musiker. (Übrigens spielt er am Freitag, 30. Mai um 21:15 mit seinem eigenen Trio bei den Hildener Jazztagen!)
Bigband-Musizieren als Energiequelle, auch für junge Menschen
Traditionspflege im Jazz schließt einen Blick in die Zukunft und auf nachwachsende Generationen nicht aus – zumal die WDR Big Band selbst ja eine weltweite, vorbildhafte Ausstrahlung hat in Sachen vollendeter musikalischer Interaktion und präziser Instrumentenbeherrschung. Dieser Anspruch wird an viele motivierte Nachwuchsbigbands im Lande weitergereicht: Zum Beispiel an eine junge, hervorragend aufgestellte Big Band der Musik- und Kunstschule Duisburg, kurz MKS Bigband geleitet mit viel Herzblut von Rüdiger Testrut. Preisgekrönt wurde dieser Klangkörper für das, was hier seit drei Jahrzehnten gelebt wird und wo eine generationenübergreifende Verbindung von Tradition und Erneuerung dahinter steht. Das Altersspektrum reicht von 16 bis 70 Jahren, und gerade viele junge Musikerinnen und Musiker schöpfen daraus eine starke Energiequelle, wie eine junge Musikerin aus der MKS Big Band betonte – natürlich voller Freude über die prominente Auszeichnung durch einen WDR-Jazzpreis.