Bescherung schon vor dem 1. Advent
Iiro Rantala im domicil
TEXT: Michael Kalthoff-Mahnke | FOTO: Michael Kalhoff-Mahnke
Bei seinem Auftritt beim 23. Dortmunder Jazztagen legt das Iiro Rantala Trio bereits vier Wochen vor dem Heilgen Abend hinreißende Musikgeschenke auf den Gabentisch. Das Publikum im ausverkauften Dortmunder Jazzclub domicil dankt es mit Standing Ovations.
"How long is now?" hat der finnische Pianist Iiro Rantala sein Programm überschrieben (gleichlautend zur aktuellen Einspielung bei seinem Label "act"). Das Jetzt hätte ewig dauern können. Die drei skandinavischen Ausnahmemusiker - an Rantalas Seite der Schwede Lars Danielsson (Kontrabass) und Morton Lund (Schlagzeug) - brennen ein musikalisches Feuerwerk ab, das die Zuhörer zu Beifallsstürmen hinreißt. Fesselnd, mitreißend, witzig und ernst, ja manchmal bedrückend, dann wieder befreiend - ob Eigenkompositionen von Rantala (u. a. "Voyage", "Stuff it") und Danielsson ("Africa", "Taxim by Night"), ob Jazzklassiker ("Polka Dots and Moonbeams" von Jimmy Van Heusen) oder klassische Interpretationen (Overtüre aus Bernsteins Oper "Candide" in einem Solovortrag von Iira Rantala), das Trio überzeugt ausnahmslos durch Professionalität, Kreativität und Virtuosität - sowohl als Solisten als auch im Zusammenspiel. Daran ändert auch der etwas formalisierte Ablauf nichts, der durch den WDR3-Live-Stream vorgegeben ist.
Auf Zuruf aus dem Publikum kreieren die drei spontan das Stück "Freedom in Dortmund", das durchaus das Zeug für eine neuen Hymne der Stadt hätte: aufstrebend, geradlinig, schnörkellos; mit einer eingängigen Melodie, getragen von einem groovenden Bassmuster und einem dynamischen Schlagwerk - passend zum permamenten Wandel der Stadt. Überhaupt schaffen Rantala und seine kongenialen musikalischen Partner es immer wieder, Gefühle, Stimmungen und Entwicklungen in ihre Musik einzuweben. In "Bruno" und "Toppy" bringt Rantala die konträren Charaktere und Persönlichkeiten seiner beiden Söhne auf den musikalischen Punkt: Der eine ist Bruno, von dem Rantala sagt: "He's easy going, he likes to sleep and eat. He's a happy boy. So is the music." Der andere, Toppy, ist ein Typ, der Unfälle und Katastrophen anzieht, der sich das Leben oft selbst schwer macht, was Rantala in der komplexen Struktur des Stückes einfängt. Düster wird es in "Year 2016", erst vor gut drei Wochen vor dem Dortmunder Auftritt komponiert, in dem die Band die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen der vergangenen Monatein Töne fasst. Vornehmlich in Moll gehalten, beginnt das Stück eher ruhig, um am Ende in einer fast freien, bedrückenden Improvisation zu münden. Der Zuhörer hört gebannt und fühlt sich förmlich in den Sitz gepresst: keine optimistische Sichtweise der Welt. Rantala: "Hope next year will be more dur." Versöhnliche Töne gibt es dann zum Schluss: Rantala, Danielsson und Lund verabschieden sich mit Steve Wonders eher gefälligen Evergreen "Sir Duke" und entlassen ihr Publikum nach zwei Stunden und einem eindrucksvollen Musikerlebnis.
Das komplette Konzert gibt es zum "Nachhören" als Stream im Web
unter www.konzertplayer.WDR 3.de