Bild für Beitrag: Beachtliches Event | 4. Ystad Sweden Jazz Festival 2013
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Beachtliches Event

4. Ystad Sweden Jazz Festival 2013

Ystad, 07.08.2013
TEXT: Christoph Giese | FOTO: Markus Fägersten, Lars Grönwall (Fabrizio Bosso Quartet)

Über 90 Prozent aller Touristen kämen wegen Kommissar Wallander nach Ystad, weiß die junge Journalistin der Lokalzeitung zu erzählen. Aber immer mehr kommen auch wegen dem Jazz in die südschwedische Kleinstadt, ein knappes Autostündchen von Malmö oder Kopenhagen entfernt. In diesem Jahr auch Henning Mankell, der berühmte schwedische Schriftsteller und Autor der Wallander-Krimis, die ja in Ystad spielen. Knapp ein Jahr habe sie daran gearbeitet, ihn als Jazz-Ambassador nach Ystad zu holen, stöhnt Itta Johnson, die Dame von der Pressestelle des „Ystad Sweden JazzFestival“. Der Einsatz hat sich gelohnt. Mankell war vor Ort und plauderte im Kreise der angereisten Journalisten über seine zweite Heimat Afrika oder über das Schreiben von Büchern auf einer geöffneten Ofenklappe als junger Autor mangels Möbel in der Wohnung. Aber vor allem wollte der Schwede über seine Liebe zum Jazz reden - Louis Armstrong habe er einst in Stockholm live auf der Bühne erlebt.

Ganz so prominent war die vierte Ausgabe des „Ystad Sweden JazzFestival“ nicht besetzt. Aber das Line-Up steckte natürlich voller Hochkaräter. Kenny Barron ist so einer. Was der US-Pianist mit seinem „Platinum Trio“ mit Bassist George Mraz und Drummer Lewis Nash auf der Bühne des wunderschönen, alten Ystads Teater zauberte war ein eleganter Vortrag aus eigenen Stücken und interessant arrangierten Jazzstandards, geprägt vom so lyrischen Klavierspiel des Bandleaders. Die hohe Kunst des Klaviertrios. Die Musik eines anderen Pianisten rückte der Schlagzeuger Clarence Penn in seinem neuen Projekt „Monk – The Lost Files“ in ein neues und frisches rhythmisches Licht. Mit seinem Quartett präsentierte sich der als Sideman so bekannte Amerikaner als würdiger Bandleader, der den gewitzten Arrangements von Monk-Klassikern den richtigen Anschub und die rhythmischen Finessen gab. Auch mal mit modernem und groovigen Anstrich und mit Fender Rhodes-Pianoklängen angereichert, kommt Penns Sichtweise von Monk daher. Ein sehr überzeugendes, sehr vitales Projekt, von dem im Herbst eine CD erscheinen soll.

Vieles konnte in Ystad überzeugen. So der italienische Trompeter Fabrizio Bosso, der mit seiner Band den alten italienischen Schwarzweiß-Streifen „Il Sorpasso“ von Dino Risi mit nervösem Postbop unterlegte. Oder der schwedische Bassist und Cellist Lars Danielsson mit seinem Projekt „Liberetto“, mit einem fantastischen Tigran am Piano. In der Band seiner singenden Gattin Cæcilie Norby spielte Danielsson natürlich auch mit. Dazu noch Cracks wie Gitarrist Nguyên Lê und Pianist Leszek Mozdzer. So wild und rockig wie in Ystad hat man die Norby wohl selten erlebt. Bei Jimi Hendrix´ „Purple Haze“ am Schluss schien sich die Energie der Band fast zu überschlagen. Überbordendes hatte auch das neue „AfroCubano-Quartet“ von Omar Sosa zum Festivalabschluss zu bieten. Bis ein Uhr am Montagmorgen riss der Kubaner das Publikum von den Sitzen mit seiner Mischung aus afrokubanischen Traditionen und ausgelassener Spielfreude. Nüchtern betrachtet, war dieser Auftritt aber mehr Show als musikalische Offenbarung.

Der künstlerische Leiter Jan Lundgren griff bei seinem Festival auch wieder selbst in die Klaviertasten. Ein Quintett mit dem US-Saxofonisten Hary Allen und dem sehr agilen dänischen Gitarristen Jacob Fischer hatte Lundgren zusammengestellt für einen feinen Tribut an die Musik von Stan Getz und Jan Johansson. Berührend die schwedischen Folktunes von Johansson, sehr unterhaltsam und mit großer Klasse gespielt ein paar alte Jazzklassiker oder Jobims „Girl from Ipanema“. Tags darauf trat Lundgren noch einmal auf. Und vor allem die erste Konzerthälfte war einfach zauberhaft. Solo, von Trockeneis-Nebelschwaden umgeben, spielte der Schwede ein paar ans Herz gehende, balladeske Stücke aus seinem ersten offiziellen Soloalbum „Man In the Fog“. Und zeigte sich auch anschließend mit seinem Trio als sehr geschmackvoller Komponist und zudem noch als quirliger Virtuose auf dem Klavier. Als Zückerchen hatte Lundgren dann noch den italienischen Klarinettisten Nico Gori als geheim gehaltenen Gast für einige Stücke dabei – Standing Ovations des Publikums waren ihm sicher.

Überhaupt ist das Publikum in Ystad enthusiastisch. Es herrscht eine begeisterte Atmosphäre, was auch die Musiker sichtlich und spürbar schätzen. Zu entdecken gab es beim Festival auch einiges. Etwa die stimmstarke Sängerin Hanna Elmquist und ihre Band aus Stockholm, die mit „Slow Motion“ ihre aktuelle CD mit selbst geschriebenen Stücken vorstellten, die schön am Klischee von vielen Jazzvokalalben vorbeikomponiert wurden. Auch die ebenfalls sehr hörenswerte Anna Lundqvist aus Göteborg schreibt ihre eigenen Stücke abseits von ausgetretenen Jazzpfaden. Das Quiet Nights Orchestra aus Stockholm wusste auch sehr zu gefallen. Die aus drei Bläsern, vierköpfiger Rhythmusgruppe und Sängerin Sofie Norling bestehende Band swingt und schwelgt, aber eben auch mit viel frischem Schwung und Raffinesse.

Bei bis zu acht Konzerten an jedem der vier Festivaltage fällt es jedoch schwer, sich in Ystad alles anzuhören. Morgens um elf Uhr geht der Marathon los, genau zwölf Stunden später beginnt der letzte Auftritt im Theater von Ystad. Und dann wartete in diesem Jahr das erste Mal noch eine Jam Session für alle diejenigen, die dann immer noch nicht genug hatten. In seinen vier Jahren ist das „Ystad Sweden JazzFestival“ zu einem beachtlichen Event gewachsen, das schon jetzt viele auswärtige Gäste anlockt.

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