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Basslegenden im Doppelpack

Esperanza Spalding als Emily und Stanley Clarke als Stanley Clarke

Wuppertal, 18.07.2016
TEXT: Heinrich Brinkmöller-Becker | FOTO: Heinrich Brinkmöller-Becker

Die Reihe ‚Klangart’ im Wuppertaler Skulpturenpark Waldfrieden wartet auch in diesem Jahr mit einem Topact auf – genauer: mit zweien - und dann noch solchen derselben Instrumentengattung. Am Wochenende war zunächst Esperanza Spalding mit ihrem Projekt ‚Emily’s D+Evolution’ zu Gast, am Tag darauf die Stanley Clarke Band mit ‚Up’.

Die 31-jährige Bassistin, Komponistin und Sängerin weckt hohe Erwartungen, gilt sie seit ihrer ersten Plattenveröffentlichung von 2006 und mit mittlerweile fünf viel beachteten Solo-Alben als Überfliegerin und Star am Musikhimmel: vier Grammys, Auftritte im Weißen Haus, Zusammenspiel mit Granden des Jazz wie Herbie Hancock, Wayne Shorter und vielen anderen. Mit gerade einmal zwanzig Jahren avanciert sie zur jüngsten Professorin an der renommierten Berklee-Universität. Im einzigen Deutschlandkonzert während ihrer aktuellen Europatournee stellt sie in Wuppertal ihre neue Veröffentlichung vor: Emily’s D+Evolution. Hinter dem kryptischen Titel verbirgt sich ein Konzeptalbum, bei dem Esperanza Spalding unter Rückgriff auf ihren zweiten Vornamen einen Rollenwechsel vornimmt und Seiten ihrer kindlichen Identität (wieder-)entdeckt. Ihr Spiel mit Entwicklung („evolution“) und Rückentwicklung („devolution“) wird im wahrsten Sinne plakativ vorgeführt: Banner vermitteln die biographisch-künstlerische Identitätssuche, ja, die gesamte Bühnenshow ist dieser gewidmet. Sie beginnt mit einer schwarz umhüllten Protagonistin mit Afro-Perücke, die sich in eine weiß gekleidete Performerin mit einer Phantasiekrone aus Bestandteilen aus dem Elektronikbaukasten transformiert. Die Verwandlungsprozesse drücken sich im Körperlichen aus: Zunächst marionettenhaft staksig zeigt sich die Befreiung der Künstlerin durch immer „flüssigere“ Bewegungen, die mit solchen der Musik korrespondieren. Die vielzitierte Bühnenpräsenz des Jungstars ist auch in Wuppertal deutlich erkennbar: Ihre Show, ihre gesanglichen Register, ihre Bewegungen, ihr Tanz – zum Teil mit ihrem Instrument -, ihre Mimik sind in jeder Sekunde „auf dem Punkt“. Anders übrigens als bei der dramaturgischen Unterstützung durch die backing vocals (Shawna Corso, Emily Elbert, Corey King) mit ihrem stellenweisen Charme einer Laienspielschar.

Musikalisch bewegt sich „Emily“ auf der Ebene eines „post-modernen“ Power-Rocks, der die Einflüsse des ambitionierten Teils der Pop-Geschichte aus den letzten Jahrzehnten aufgreift und kunstvoll und hochvirtuos in die Performance einbringt. Jedoch dominieren in dem fast nahtlos aneinandergereihten Songreigen als Abbild des Albums die Sprache und Performance. Die ausgesprochen textlastige Präsentation erschwert den Zugang zum Gesamtkunstwerk. Man ahnt, dass es um Kindheit, Adoleszenz, Bildung, Liebe, Kunst geht. Aber durch eine über-codierte Gesamtperformance wird „Emily“ leider zur Kunstfigur mit allzu künstlich wirkender, glatter Oberfläche. Trotz ihres unstrittigen Talentes als Sängerin und Performerin bleibt Esperanza Spalding als „rückentwickelte“ Emily merkwürdig monoton und steril, ja über-perfekt.

Manchmal blitzt es im Konzert auf, wenn es Zwiegespräche von Esperanza Spaldings Fretless-Bass mit Matthew Stevens’ Gitarre oder mit der Trommel von Justin Tyson gibt – ganz ohne Sprache, Tanz, optische Reize, wunderbar konzentriert auf die Kraft der Musik und die Instrumentalkunst.

Damit ist bereits auch das Kontrastprogramm zu dem nächsten Open-Air-Konzert mit Stanley Clarke benannt. Der legendäre Altmeister am Kontra- und E-Bass bezeichnet sich bei der Vorstellung seiner Band selbstironisch als Hundertjähriger im Vergleich zu seinen Youngstern – alle drei Anfang 20. Beka Gochiashvili am Piano und den Keyboards, der Schlagzeuger Michael Mitchell und Cameron Graves an den Keyboards zaubern mit dem sympathischen Starbassisten einen magischen Sommernachtstraum voller Energie und Spielfreude.

Clarkes Bassspiel verschmelzt kunstvoll die Melodie- und Rhythmusebenen der gespielten Stücke, ebenso „fusioniert“ er die Vielfalt seiner Techniken: mal swingender Walking Bass, mal singend-summende Legato-Linien, mal ekstatischer Slap auf dem akustischen wie auf dem elektronischen Saiten-Instrument, mal stoischer Ein-Ton-Rhythmus, mal schwindelerregende Virtuosität, mal rockige, mal jazzige Idiomatik....His bass can really talk.

Nicht nur das: Stanley Clarke verhält sich völlig frei von Arroganz oder Allüre gegenüber seinen jungen Mitspielern, im Gegenteil: Er hat ganz offensichtlich Freude am Zusammenspiel, Freude am Dialog mit dem unbändigen Michael Mitchell oder den virtuosen Tastenkünstlern Beka Gochiashvili und Cameron Graves, zuhörende Freude an dem Dialog von Piano und Keyboard.

Natürlich ist Stanley Clarke das Epizentrum des Quartetts, natürlich gibt es an dem Abend in Wuppertal „Klassiker“ etwa wie Brazilian love affair als Verbeugung vor George Duke oder Goodbye pork pie hat als ebensolche vor dem großen Bassisten Charles Mingus oder Song To John aus der Feder von Clarke selber, gedacht als Verehrung für John Coltrane. Mit Chick Coreas furiosem No Mystery endet das Konzert – von Clarke als richtig schwieriges Stück angekündigt, das von seinen Mitspielern bis zur „Krankenhausreife“ einiges abverlange. Recht hat er. Souverän und in gewisser Weise respektlos gegenüber den Versionen der Großen des Jazz gelingt auch diese Nummer, von allen Beteiligten voller Power und Virtuosität und Präzision getragen.

Als Zugabe gibt es Oh Oh – einen „klassischen“ Mit-Mach- und Aufheiz-Song von Stanley Clarke und George Duke, Clarke spielt dabei auf seinem Piccolo-Bass. Das Publikum wird mitgerissen – standing ovations für den Altmeister, aber auch für seine Youngster-Band. Ein rundum gelungener Abend - den Musikern, der Cragg Foundation, Maik Ollhoff als dem neuen künstlerischen Leiter der Klangart-Konzerte und dem Wettergott sei Dank.

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